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Linkes Blog aus Ostfriesland

Wehrbeauftragter: Robbe wird sein Amt aufgeben müssen

Wehrbeauftragter Robbe wird sein Amt verlieren

Reinhold Robbe, SPD-Politiker aus Bunde, wird nach Ablauf der Wahlperiode im April sein Amt als Wehrbeauftragter des Bundestages an die FDP-Abgeordnete Hoff abgeben müssen.
Was wird aus Robbe? Wir erinnern uns an den Februar 2004, als der Seeheimer Robbe der Nordwest-Zeitung ein Interview gab, in dem er Folgendes sagte:
„Wir müssen sehen, dass alle Verantwortlichen endlich in die Hufe kommen. Das Ausland läuft uns davon. Deshalb reden die Sozialpartner doch über flexible Arbeitszeitkonten, weniger Gehalt und weniger Urlaub. Von notwendigen Veränderungen kann niemand ausgenommen bleiben – auch die Manager nicht. Jeder in unserem Wirtschaftssystem muss sich Gedanken machen, wie kann auch ich dazu beitragen, das Land wieder  nach vorn zu bringen – mit gesundem Patriotismus.“
Robbe verteidigte damit die von der rot-grünen Regierung begonnene Umverteilung von unten nach oben nach dem Motto: Wir müssen alles dafür tun, damit die deutschen Kapitalisten ordentlich Profite machen und auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind, dafür müssen aber die diejenigen, welche die Werte schaffen, die Lohnabhängigen, auf Lohn bzw. Gehalt und Urlaub verzichten sowie mehr arbeiten. So einfach stellt sich der Sozialdemokrat Robbe ein „funktionierendes Wirtschaftssystem“ vor. Der Aufschrei bei den Gewerkschaften war 2004 natürlich groß und selbst Robbes Parteifreunde in Ostfriesland stärkten ihm nicht den Rücken.
2005 wurde der ehemalige Kriegsdienstverweigerer Robbe Wehrbeauftragter. Seit er in den Bundestag gewählt wurde, entwickelte sich Robbe zum Militaristen, der jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr im Bundestag zustimmte. Als die Bundeswehr sich am Krieg gegen Jugoslawien beteiligte und der damalige Verteidigungsminister Scharping dies mit falschen Behauptungen begründete, sprang ihm Robbe zur Seite. Er diffamierte damals Gregor Gysi, der während des Krieges in Jugoslawien Friedensverhandlungen führte, als Vaterlandsverräter.
Seinen letzten großen Auftritt hatte Robbe Anfang Januar, als er im Spiegel die Äußerungen von Bischöfin Käßmann zum Afghanistan-Einsatz als unverantwortlich bezeichnete. Käßmann übe populistsische Fundamentalkritik, ohne sich jemals persönlich ein Bild vor Ort verschafft zu haben und vermittle Tausenden von gläubigen Soldaten das Gefühl, in Afghanistan gegen Gottes Gebote zu handeln. Robbe führte aus, es sei naiv, in Afghanistan mit „Gebeten und Kerzen“ Frieden schaffen zu wollen wie vor 20 Jahren die DDR-Opposition. Naiv ist nicht Käßmann, sondern Robbe, der immer noch nicht verstanden, dass man diesen Krieg nicht gewinnen kann. Wer Soldaten in diesen Krieg schickt, um „unsere Sicherheit am Hindukusch zu verteidigen“ (Ex-Verteidigungsminister Struck, SPD), sollte nicht vorgeben, dass es darum geht den AfghanInnen Demokratie und Freiheit zu bringen, sondern klar sagen, dass dieser Krieg in erster Linie aus geostrategischen Gründen erfolgt. „Wir kämpfen in Afghanistan gegen einen nationalen, antiwestlichen Aufstand. Afghanistan ist geostrategisch interessant, weil man dort Russland, Indien, Pakistan und China kontrollieren kann. Auch rohstoffpolitisch ist das ein fabelhafter Standort. Schließlich wollen die Amerikaner eine Ergaspipeline durch Afghanistan bauen.“ (J. Todenhöfer, CDU,  Spiegel, 29.06.09)
Ab 2010 (dem Agendajahr der SPD) steht Robbe seiner Partei wieder zur Verfügung. Wir können jetzt schon prognostizieren, dass er sich auf die Seite der Betonköpfe und Schröderianer stellen wird, denn „Agenda 2010 musste sein“ und wenn die schwarz-gelbe Regierung die Schrödersche „Reform“politik auf dem Rücken der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Angestellten, der RentnerInnen  und der sozial Schwachen weiterführt, wird Reinhold Robbe applaudieren und sagen können: „Richtig so. Was Ihr da durchzieht,  habe ich 2004 schon vorgeschlagen.“
Die SPD sollte, will sie sich doch auch programmatisch erneuern, Robbe  ausbremsen, bevor er weiteren politischen Flurschaden in Ostfriesland anrichtet.

(TK)

Quelle: www.dielinke-leer.de

5. Februar 2010 Posted by | Bundeswehr, CDU/FDP, Die LINKE, News, Politik, SPD | , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Lafontaines Rede zum Neujahrempfang der LINKEn in Saarbrücken

Im Interesse der Mehrheit

Dokumentiert. Zur Strategie der Partei Die Linke nach der Bundeswahl 2009. Rede von Oskar Lafontaine beim Neujahrsempfang seiner Partei in Saarbrücken

Wir dokumentieren die Rede, die Oskar Lafontaine, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke, am 19. Januar beim Neujahrsempfang seiner Partei in Saarbrücken gehalten hat. Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion eingefügt.
Nach dem Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag mit 11,9 Prozent der Stimmen und dem Erfolg bei der saarländischen Landtagswahl ist die Gründungsphase der Partei Die Linke abgeschlossen. Wir sind jetzt nicht nur in sechs ostdeutschen, sondern auch in sechs westdeutschen Landtagen vertreten und haben bei der Bundestagswahl 5155933 Wählerinnen und Wähler für uns gewonnen, mehr als die Grünen und mehr als die CSU.

Mit der Gründung der Partei Die Linke wollten wir vor allem die Außenpolitik und die Wirtschafts- und Sozialpolitik verändern. Diese Veränderungen sind in vollem Gange.

Kernforderungen zeigen Wirkung

Nachdem die Mehrheit der Bevölkerung es ablehnt, Deutschland am Hindukusch zu verteidigen, haben sich in diesen Tagen die beiden christlichen Kirchen erneut gegen den Afghanistankrieg ausgesprochen. Die mit uns konkurrierenden politischen Parteien suchen mit unterschiedlicher Intensität ihre Exitstrategie und führen Rückzugsgefechte. Westerwelle will keine weiteren Kampftruppen und einen Abzug der Bundeswehr in nicht allzu ferner Zukunft. Gabriel will, wie Obama, 2011 mit dem Rückzug der Bundeswehr beginnen. Zu Guttenberg hat erkannt, daß in Afghanistan Krieg ist, und daß dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Ebenso unmöglich sei es, so ließ er verlauten, eine Demokratie nach westlichem Vorbild aufzubauen. Darüber hinaus fordert er, wie einige CSU-Politiker schon vor ihm, einen Weg zu finden, um die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. Unser Wahlkampfplakat »Raus auf Afghanistan« zeigt Wirkung.

Bei Hartz IV fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband eine »Totalrevision«. Der nord­rhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers weiß, daß ein Einzug der Linken in den nord­rhein-westfälischen Landtag ihn den Kopf kosten kann und wirbt für eine »Grundrevision« von Hartz IV. Gabriel greift unsere Forderung auf, langjährig versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern länger Arbeitslosengeld zu zahlen. Mittlerweile gibt es fast jeden Tag neue Vorschläge, um Hartz IV zu verändern. Im Kern geht es darum, die zerstörte Arbeitslosenversicherung wieder herzustellen. An ältere Arbeitslose, die jahrzehntelang in die Sozialversicherung eingezahlt haben, muß das Arbeitslosengeld länger gezahlt werden. Die Zumutbarkeitsklausel, die eine Einladung ist, die Löhne zu drücken, muß verändert werden. Unser Wahlplakat »Hartz IV abwählen« findet immer mehr Anhänger. Die anderen Parteien überarbeiten Hartz IV.

Für den gesetzlichen Mindestlohn werben neben der Partei Die Linke und den Gewerkschaften jetzt auch SPD und Grüne. Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ist ohnehin dafür, bei uns Regeln einzuführen, die in den meisten europäischen Staaten selbstverständlich sind. Leider wurde die Bundestagsmehrheit zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in der letzten Wahlperiode nicht genutzt, weil die SPD nicht aus der Koalitionsdisziplin ausscheren wollte. Es bleibt daher offen, wann dem mehrheitlichen Willen der Bevölkerung endlich im Deutschen Bundestag Rechnung getragen und das verheerende Lohndumping der letzten Jahre beendet wird. Jetzt wird die Praxis des Unternehmens Schlecker kritisiert, das wie viele andere Unternehmen die Deregulierung des Arbeitsmarktes zum Anlaß nimmt, die Löhne zu drücken. Die Brandstifter rufen nach der Feuerwehr. Der gesetzliche Mindestlohn würde den Schaden begrenzen.

Daß die jetzige Rentenformel nicht zu halten ist, wird immer deutlicher. Die Einführung der kapitalgedeckten Rente erweist sich in der Finanzkrise als eine historische Fehlentscheidung. Die Zerstörung der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt ein Skandal. Wer heute 1000 Euro verdient, hat nach 45 Arbeitsjahren einen Rentenanspruch von 400 Euro. CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne haben mit den sogenannten Rentenreformen millionenfache Altersarmut programmiert. Unser Wahlplakat »Gegen die Rente ab 67« überzeugt jetzt auch die Sozialpolitiker der anderen Parteien. Sie rücken von ihren bisherigen Beschlüssen ab und suchen einen gesichtswahrenden Ausweg. Es versteht sich von selbst, daß Die Linke weiterhin für die Angleichung des Rentenniveaus Ost eintritt.

Demokratische Erneuerung

Neben den vier Kernforderungen der Partei Die Linke zur Bundestagswahl 2009 »Raus aus Afghanistan«, »Hartz IV abwählen«, »Mindestlohn gerade jetzt« und »Gegen die Rente ab 67« hat sich die Wirtschaftspolitik der Linken in der Finanzkrise bewährt. Die Weltwirtschaft wäre zusammengebrochen, wenn nicht alle Industriestaaten im letzten Jahr eine expansive Geld- und Fiskalpolitik gemacht hätten. Mit Verwunderung müssen viele einräumen, daß die neoliberale Ideologie der Deregulierung die Weltwirtschaft in die Krise geführt hat, und daß der von linken Parteien befürwortete Keynesianismus ihren Zusammenbruch verhindert hat. Da aber die Forderung der Linken nach einer Regulierung des Finanzsektors und der Vergesellschaftung des Bankensektors nirgendwo ernsthaft in Angriff genommen wurde, ist mit dem Geld der Zentralbanken nicht die Realwirtschaft gestärkt, sondern die nächste Finanzblase finanziert worden. In bisher einmaliger Weise wurde deutlich, daß die Finanzindustrie die Politik bestimmt und nicht umgekehrt. Der deregulierte Finanzkapitalismus hat die Demokratie ausgehöhlt.

Wir haben an der Deregulierung der Finanzmärkte nicht mitgewirkt und ihre Regulierung seit Jahren gefordert. Auch deshalb begreifen wir uns als demokratische Erneuerungsbewegung. Entweder der Staat kontrolliert und reguliert die Banken, oder die Finanzindustrie kontrolliert und reguliert die Politik.

Wer sich als demokratische Erneuerungsbewegung begreift, muß sagen, was er unter Demokratie versteht. Die Linke beruft sich auf die klassische, dem athenischen Staatsmann Perikles zugeschriebene Definition: »Der Name, mit dem wir unsere politische Ordnung bezeichnen, heißt Demokratie, weil die Angelegenheiten nicht im Interesse weniger, sondern der Mehrheit gehandhabt werden.«

Zu den Ursachen, die zur weltweiten Finanzkrise geführt haben, gehört nicht nur die Deregulierung der Finanzmärkte, sondern auch die von Jahr zu Jahr zunehmende ungleiche Verteilung der Vermögen und Einkommen. Diese Ursache der Finanzkrise wird leider auch von denen übersehen, die wie wir in der Deregulierung eine entscheidende Fehlentwicklung sehen. Der Satz Rosa Luxemburgs: »Ohne Sozialismus keine Demokratie und ohne Demokratie kein Sozialismus« sagt nichts anderes, als daß es ohne eine gerechtere Vermögensverteilung keine Demokratie gibt, weil eine ungerechte Vermögensverteilung zu undemokratischen Machtstrukturen führt. Die Linke wirft als einzige politische Kraft die Frage auf, was wem warum gehört. Sie will eine Gesellschafts- und Rechtsordnung, in der das Eigentum dem zugesprochen wird, der es erarbeitet und geschaffen hat. Deshalb fordern wir bei größeren Produktionsunternehmen, den Zuwachs des Betriebsvermögens denen zuzuschreiben, die es erarbeitet haben. Dieses Belegschaftsvermögen bleibt im Betrieb und sichert den Belegschaften die Rechte der Anteilseigner. Nur so kann die Wirtschaft Schritt für Schritt demokratisiert werden und eine Gesellschaftsordnung entstehen, in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen.

Kampagnenjournalismus

Weil Die Linke eine Eigentumsordnung befürwortet, die das Eigentum denen zuspricht, die es geschaffen haben, wird sie von den Nutznießern der jetzigen Eigentumsverteilung, die auf der Enteignung der Belegschaften beruht, bekämpft. Das gilt auch für die privatwirtschaftlichen Medien, in denen, so der Gründungsherausgeber der FAZ Paul Sethe, 200 reiche Leute ihre Meinung verbreiten. Dabei gehen die Medien bei linken Parteien immer nach dem gleichen Muster vor. Sie unterscheiden zwischen angeblichen Realpolitikern und Pragmatikern auf der einen Seite und sogenannten Chaoten, Populisten und Spinnern auf der anderen Seite. Auf diese Weise nehmen sie Einfluß auf die politische Willensbildung und die Personalentscheidungen der linken Parteien. Bei der SPD hat sich so über viele Jahre der sogenannte Reformerflügel durchgesetzt mit dem Ergebnis, daß sich Wählerschaft und Mitgliedschaft halbierten. Agenda 2010 und Kriegsbefürwortung zerstörten den Markenkern der SPD: Das Eintreten für soziale Gerechtigkeit und Frieden.

Die Grünen, die gerade 30 Jahre alt geworden sind, wurden nach demselben Muster beeinflußt und so zur staatstragenden Partei. Der »Realoflügel« wurde gehätschelt, und die »Chaoten« und »Spinner« wurden immer wieder herunter geschrieben. Wie bei der SPD setzte sich der »Realoflügel« durch. Aus einer Partei, die bei ihrer Gründung soziale Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit, Basisdemokratie und Umweltschutz auf ihre Fahne geschrieben hatte, wurde eine Partei, die die Agenda 2010 und Kriege befürwortet. Warum ereilte die Grünen nicht dasselbe Schicksal wie die SPD? Die Antwort ist einfach. Die Grünen sind zur Partei der Besserverdienenden geworden. Ihre Wählerinnen und Wähler wollen alle mehr Umweltschutz. Sie unterstützen aber mehrheitlich Kriege, die verharmlosend humanitäre Interventionen genannt werden. Der Markenkern der Grünen ist das Eintreten für den Umweltschutz. Soziale Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Basisdemokratie gehören aus Sicht vieler ihrer Anhänger nicht unbedingt dazu. Deshalb blieb den Grünen das Schicksal der SPD erspart.

Bei der neuen, erst zweieinhalb Jahre alten Partei Die Linke versuchen die Medien dasselbe Spiel. Sie preisen unermüdlich die sogenannten Reformer und Pragmatiker und polemisieren ständig gegen angebliche Populisten, Fundamentalisten, Chaoten und Spinner. Unterstützt werden sie dabei selbstverständlich von den »Reformern« und »Pragmatikern« der anderen Parteien, die immer wieder die Litanei von der Regierungsuntauglichkeit der Partei Die Linke herunterbeten. Würden wir auf diese Propaganda, auf diesen Kampagnenjournalismus hereinfallen, dann erginge es uns wie der SPD. Da wir noch weniger »etabliert« sind, würden sich Wählerschaft und Mitglieder noch schneller halbieren.

Linker Markenkern

Unsere Wahlerfolge verdanken wir dem Markenkern, den wir uns gemeinsam in den letzten Jahren erarbeitet haben. Die Linke ist für ihre Anhängerinnen und Anhänger die Partei des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft. Sie stimmt im Bundestag in der Tradition Karl Liebknechts und Willy Brandts gegen Kriegseinsätze. Sie wendet sich im Gegensatz zur Konkurrenz gegen Sozial­abbau, Personalabbau im öffentlichen Dienst und gegen die Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsfürsorge. Sie will den Finanzsektor auf seine ursprüngliche Aufgabe beschränken, die Ersparnisse in wirtschaftliche Investitionen zu lenken.

Wenn über die Richtigkeit oder Falschheit einer Strategie geurteilt wird, dann entscheiden nicht Strömungen oder Kommentatoren, sondern die Wählerinnen und Wähler. Der Markenkern der neuen Partei, der in der Bundestagswahl mit den Forderungen »Raus aus Afghanistan«, »Hartz IV abwählen, »Mindestlohn gerade jetzt« und »Gegen die Rente ab 67« beschrieben wurde, begründete den Wahlerfolg der Linken.

Um diese unbestreitbare Tatsache kleinzureden und den Anpassungsdruck zu erhöhen, wird behauptet, Wahlerfolge seien nur dann etwas wert, wenn sie auch zu Regierungsbeteiligungen führen. Einfache Gemüter kleiden diese Überzeugung in die Formel: Opposition ist Mist. Daß auch Regierung Mist sein kann, hat die SPD bei den letzten Wahlen schmerzlich erfahren. Sie enttäuschte in der großen Koalition ihre Anhängerinnen und Anhänger erneut mit Mehrwertsteuererhöhung und Rente mit 67 und wurde dafür abgestraft. Ähnlich erging es unserer Schwesterpartei, der »Rifondazione Comunista« in Italien, die entgegen ihren Wahlversprechen in der Regierung die Kriegsbeteiligung Italiens in Afghanistan und die Kürzung sozialer Leistungen befürwortete. Heute ist sie nicht mehr im Parlament vertreten. Ebenso hat eine der beiden Vorläuferparteien der Linken, die PDS, leider mit Regierungsbeteiligungen nicht die besten Erfahrungen gemacht. Dabei müssen Regierungsbeteiligungen nicht notwendig zu Stimmverlusten bei Wahlen führen. Es gibt viele Beispiele, die das Gegenteil beweisen.

Mitregieren – ja oder nein?

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Ich bin für Regierungsbeteiligungen, wenn wir im Sinne unserer Programmatik die Politik verändern. Wer aber behauptet, nur durch die Regierungsbeteiligung könne eine Partei Politik und Gesellschaft verändern, verkennt die Wirkungsweise des parlamentarischen Regierungssystems. Die Sozialgesetze Bismarcks waren beispielsweise nicht das Ergebnis der Einsicht des Eisernen Kanzlers, sondern sie verdanken ihre Entstehung der Absicht, das Erstarken der SPD zu verhindern. Die umlagenfinanzierte Rente und die Einführung der paritätischen Mitbestimmung wurden von Konrad Adenauer auf den Weg gebracht, um eine Regierungsbildung durch die SPD zu verhindern. Die Grünen haben die Programme der anderen Parteien verändert, ohne an der Regierung beteiligt zu sein. Die Linke hat auch nach dem Urteil ihrer schärfsten Kritiker die Agenda der deutschen Politik in der zurückliegenden Wahlperiode mitbestimmt. Nach unserem Erfolg bei der Bundestagswahl überbieten sich, wie bereits erwähnt, die anderen Parteien damit, Strategien zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu entwickeln und Verbesserungen in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung vorzuschlagen. Es zeigt sich: Je stärker Die Linke, umso sozialer das Land.

Statt auf diesen Erfolgen aufzubauen und uns auf den Einzug der Partei Die Linke in den nord­rhein-westfälischen Landtag zu konzentrieren, leisten wir uns überflüssige Personalquerelen und genießen die wievielte Auflage der Debatte: Regierungsbeteiligung ja oder nein. Zu den Personalquerelen haben vor allem Gregor Gysi und Klaus Ernst das Notwendige gesagt. Dort, wo Menschen zusammenarbeiten, das gilt für alle Organisationen und Parteien, gibt es Eitelkeiten, Rivalitäten und persönliche Befindlichkeiten. Da nicht alle Akteure einander in tiefer Sympathie und Zuneigung verbunden sind, muß man sich wie im Alltag an Regeln halten, die ein solidarisches Miteinander ermöglichen.

Was die Regierungsbeteiligung angeht, so wird so getan, als gäbe es bei unserer Partei im Osten Regierungswillige und im Westen Fundamentalisten, die eine Regierungsbeteiligung ablehnen. Das ist offenkundig falsch. In Hessen wollte Die Linke Andrea Ypsilanti zur Regierungschefin wählen. Das ist an der SPD gescheitert. Im Saarland wollten wir eine rot-rot-grüne Koalition. Diese scheiterte an den Grünen, die von einem der FDP angehörenden Unternehmer gekauft waren. Und in Hamburg verweigerte nicht Die Linke eine mögliche rot-rot-grüne Regierung, sondern die SPD schloß sie von vornherein aus. Auch die Diskussion in Brandenburg verlief nicht nach dem Muster Regierungsbeteiligung ja oder nein. Vielmehr ging es um den Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst. Ich hätte den Koalitionsvertrag so nicht unterschrieben, weil unsere Haltelinien: Kein weiterer Sozialabbau, kein weiterer Personalabbau im öffentlichen Dienst und keine weitere Privatisierung Voraussetzung einer Regierungsbeteiligung sein müssen. In einer Zeit, in der im vereinten Deutschland weniger öffentlich Beschäftigte arbeiten als in der ehemaligen Westrepublik, halte ich einen weiteren Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst nicht für vertretbar. Hätten wir in Deutschland den gleichen Anteil öffentlicher Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigung wie in Schweden, dann gäbe es je nach Rechnung fünf bis sieben Millionen zusätzliche Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst.

Auch in Hessen haben wir darüber gestritten, ob Die Linke eine Tolerierungsvereinbarung unterschreiben könne, in der festgelegt war, daß sie keine Mitsprache bei den Bundesratsentscheidungen der hessischen Landesregierung haben soll. Ich war dagegen und hätte eine Tolerierungsvereinbarung, die uns zumuten wollte, eine Regierung zu unterstützen, auf deren Bundesratsentscheidungen wir keinen Einfluß gehabt hätten, nicht mitgetragen.

Auch die bei den Verhandlungen zur Regierungsbildung in Thüringen von uns erhobene Forderung, daß Die Linke dann den Regierungschef stellen muß, wenn sie in einer Koalition die stärkste Partei ist, wird im Osten und im Westen geteilt. Der Kampagnenjournalismus mit dem Tenor im Osten sitzen die »regierungswilligen Pragmatiker« und im Westen die »regierungsunwilligen Chaoten« ist also eine hahnebüchene Verdrehung der Tatsachen und der Wahrheit. Das beweist auch mein wiederholtes Angebot an die SPD in der letzten Legislaturperiode, einen sozialdemokratischen Kanzler zu wählen, wenn die Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen und der gesetzliche Mindestlohn eingeführt würde. Darüber hinaus müsse eine armutsfeste Rente beschlossen und Hartz IV generell überarbeitet werden. Das sind genau die Forderungen, die die SPD jetzt zeitverzögert mehr oder weniger erfüllen wird.

Programmatisches

Wenn es darum geht, das baldige Auseinanderfallen der Linken an die Wand zu malen, behaupten die Medien, wir hätten kein Programm, und wenn wir einmal über ein solches diskutierten, dann sei die Spaltung unvermeidlich. Obwohl auch hier die Tatsachen dagegen sprechen, wird diese Platte immer wieder aufgelegt. Dabei haben wir neben dem Gründungsaufruf ein von allen Mitgliedern durch einen Mitgliederentscheid gebilligtes Programm, das sich leider »Programmatische Eckpunkte« nennt. Das Wort Eckpunkte erweckt den Eindruck des Unfertigen und bietet daher Kritikern die Möglichkeit so zu tun, als sei das gar kein richtiges Programm. Es ist aber eine hervorragende Grundlage unserer politischen Arbeit und braucht den Vergleich mit ähnlichen Programmen anderer Parteien nicht zu scheuen. Richtig ist, daß wir noch kein Grundsatzprogramm verabschieden konnten, weil wir im letzten Jahr das Europawahlprogramm und das Bundestagswahlprogramm vorlegen mußten. Die Grundsatzprogrammkommission hat schon Texte erarbeitet und gute Vorarbeit geleistet, so daß der Partei bald ein Diskussionsentwurf vorgelegt werden kann.

Da sich die Grundsatzprogramme der Parteien in der Formulierung allgemeiner Ziele ähneln, kommt es für Die Linke darauf an, die Programmpunkte herauszuarbeiten, durch die sie sich von anderen Parteien unterscheidet. Dazu gehören nach meiner Meinung folgende Punkte:

1. Wir halten daran fest, daß eine Demokratie eine Gesellschaft ist, in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen.

2. Das parlamentarische Regierungssystem muß deshalb durch Elemente direkter Demokratie ergänzt werden. Der Volksentscheid ist das geeignete Mittel.

3. Parteispenden von Unternehmen, Unternehmerverbänden, Banken und Versicherungen müssen gesetzlich verboten werden. Die Millionenspende an die FDP als Belohnung für die Mehrwertsteuerreduktion im Hotelgewerbe spricht Bände.

4. Kein Parlamentsmitglied darf während der Ausübung des Mandats auf der Lohnliste eines Unternehmens oder Wirtschaftsverbandes stehen.

5. Der politische Streik ist für Die Linke, wie in vielen Staaten Europas, ein Mittel um Fehlentscheidungen des Gesetzgebers wie Rente mit 67 oder Hartz IV zu korrigieren.

6. Die Linke nimmt keine Spenden von großen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden und verlangt von ihren Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern während der Ausübung des Mandates nicht auf der Lohnliste von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zu stehen. Für wichtige politische Fragen und Richtungsentscheidungen sieht die Satzung den Mitgliederentscheid vor.

7. Krieg ist kein Mittel der Politik. Das Völkerrecht ist die Grundlage der Außenpolitik.

8. Die Eigentumsfrage ist die Grundfrage der Demokratie. Das Eigentum soll dem zugesprochen werden, der es geschaffen hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) legt fest: »Wer durch Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigentum an der neuen Sache.« Die Mitarbeitergesellschaft ist das Unternehmen der Zukunft.

9. Alle Bürgerinnen und Bürger sind vor dem Gesetz gleich. Der Rechtsstaat muß sozial werden. Ein Gerichtsverfahren über einen höheren Streitwert kann die Mehrheit der Bevölkerung wegen der geltenden Gebührenordnung nicht bezahlen. Heute gilt: Das unerlaubte Aufessen eines Brötchens führt zur Kündigung, die Veruntreuung von Milliarden wird mit Millionenabfindungen belohnt.

10. Die sozialen Sicherungssysteme müssen in staatlicher Regie bleiben. Die Beitragsbemessungsgrenzen sind aufzuheben. Generaldirektor und Pförtner müssen von ihrem Einkommen prozentual den gleichen Beitrag zur Sozialversicherung leisten.

11. Das Steuerrecht muß sozial werden. Beispiel: Pendlerpauschale. Wir fordern eine zu versteuernde Direktzahlung an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um auch die Niedrigverdiener zu unterstützen, die keine Steuern zahlen.

Im Zusammenhang mit den Personaldiskussionen der letzten Wochen wurde auch darüber philosophiert, wer von den Mitgliedern der Parteiführung »unersetzlich« sei. Solche Debatten sind überflüssig. Auch für Die Linke gilt: Niemand ist unersetzlich. Unersetzlich sind nur eine Politik und eine Strategie der Linken, die von immer mehr Wählerinnen und Wählern akzeptiert werden.

Die Linke wird ihre Stellung im Parteiensystem der Bundesrepublik festigen und weiter ausbauen, wenn sie sich klar von den Parteien, die Kriege befürworten und Hartz IV und die Agenda 2010 zu verantworten haben, unterscheidet.

Nach unseren Erfolgen im letzten Jahr müssen wir uns jetzt auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen konzentrieren. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht ein zentrales Thema unserer Bundestagswahlkampagne: Wer bezahlt die Folgen der Finanzkrise? CDU und FDP wollen die Wählerinnen und Wähler betrügen, in dem sie die sozialen Kürzungen, die sie vorbereitet haben, vor dieser entscheidenden Wahl verschweigen. Es ist unsere Aufgabe, dieses Spiel zu durchkreuzen. Der Einzug der Linken auch in den nordrhein-westfälischen Landtag würde dazu führen, daß die Lasten der Finanzkrise gerechter verteilt werden. Dafür lohnt es sich zu streiten.

Quelle: jungeWelt 20.01.2010

19. Januar 2010 Posted by | Afghanistan, Antimilitarismus, Bundeswehr, Deutschland, Die LINKE, News, Politik, Sozialismus, Sozialpolitik, SPD | , , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Guttenberg als Maulwurfsjäger

Von Jochen Hoff | Duckhome

Er kann einem wirklich leid tun der Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Er startete hervorragend gestützt durch Atlantiker und CIA als Überflieger in die deutsche Politik. Ein Superstart. Klar an Angela Merkel vorbei, praktisch in die obersten Reihen politischer Beliebtheit.

Natürlich wurde er von den Systemmedien hochgeschrieben. Die wussten dass sie ihn zu stützen hatten, wenn sie weiter Werbung wollten. Egal welchen Quatsch auch immer er redete, er wurde als Wirtschaftsminister der nichts tat, in den höchsten Tönen gelobt. Aber dann kam Mutti. Angela Merkel die wirklich einsame Spitze im aussortieren von Konkurrenten ist, widmete ihm ein Lächeln und verpasste ihm den Posten des Kriegsministers als Schleudersitz.

Deutscher Kriegsminister zu sein, ist nie ein dankbarer Posten gewesen und etliche von diesen Vögeln haben sich daran ihren politischen Hals gebrochen oder mussten doch zumindest zurücktreten. Und das in einem Land in dem Politiker nicht zurücktreten sondern umgebettet werden. Guttenberg hatte keine Wahl, er musste Kriegsminister werden und hielt sich dank seiner klaren Befehlswege aus den USA auch für gut gerüstet.

Was Guttenberg nicht ahnte, war die Tatsache, dass sein Parteifreund – Parteifreund ist die stärkste Steigerung von Feind, die die deutsche Sprache kennt – ihm bereits ein veritablen Skandal hinterlassen hatte. Auch seine amerikanischen Brüder haben ihn nicht gewarnt. Wahrscheinlich waren die Befehls- und Informationsketten noch nicht auf Guttenberg umgestellt.

Das Kriegsverbrechen des Oberst Klein an den Zivilisten rund um die beiden Tanklaster in der Nähe von Kundus hat Guttenberg völlig falsch bewertet. Das könnte ihm im Normalfall niemand vorwerfen, wenn er nicht in den ersten Amtstagen mal eben schnell und laut dieses Kriegsverbrechen als angemessen bezeichnet hätte. Das war sein kapitaler Fehler. Denn anders als sein Dummschwatz bei Wirtschaftsdingen, reagiert hier die Bevölkerung allergisch und auch die Soldaten die in Afghanistan aber auch die in Verwaltungsposten in der Heimat sitzen, wollen derartige Verbrechen nicht.

Natürlich konnten Merkel, Steinmeier, Thomas de Maizière und Jung das Verbrechen bis zur Bundestagswahl im wesentlichen unter der Decke halten, aber überall in besser informierten Kreisen außerhalb der Systemmedien war der Gestank schon zu riechen. Guttenberg roch ihn nicht. Ein typischer Blender eben.

Als die Soldaten merkten, dass die Geschichte unter den Teppich gekehrt wurden, informierten sie nicht nur wie üblich Blogger und andere Eingeweihte, sondern drehten an den großen Knöpfen. Es wurde an Informationen geleakt, was eben möglich war. Damit kam der wesentliche Teil der Geschichte hoch. Merkel, Steinmeier, Thomas de Maizière und Jung hatten schon im Frühsommer die Devise ausgegeben, dass die Bundeswehr von einer Schutzmacht in eine Angriffsarmee umgebaut werden sollte.

Dafür fehlte zwar das Material und die Bewaffnung aber egal. Man wollte nicht mehr ängstlich in den Lagern sitzen sondern kräftig mitmorden. Diesen Befehl hat Oberst Klein umgesetzt und dabei bewusst die amerikanischen Verbündeten getäuscht und gegen alle Regeln des Krieges in Afghanistan verstoßen.

Das ist peinlich und Jung musste zurücktreten, was kein Verlust ist. Dummerweise hatte Guttenberg aber da seine Klappe schon aufgerissen und das Kriegsverbrechen als angemessen bezeichnet. Als er merkte, dass dies unhaltbar war, opferte er einen Staatssekretär und den Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan, die angeblich nicht richtig über das informiert hatten, was schon seit Wochen in vielen Blogs und ausländischen Publikationen zu lesen war.

Mit diesem Bauernopfer waren aber weder die Soldaten noch die Generalität der Bundeswehr zufrieden und auch die politische Opposition empfand das Ganze als das Ablenkungsmanöver, das es auch war. Hätte er sich einfach entschuldigt, die Sache wäre längst vergessen. Man darf nämlich auch als Minister Fehler machen, wenn man die Größe hat, zu diesen Fehlern zu stehen.

Aber ein Freiherr von und zu Guttenberg macht keine Fehler und ist in schönster neoliberaler Tradition schon so sehr Elite, dass er nicht einmal mehr über Verantwortung nachdenken muss. Er ist nie verantwortlich. Um dem Untersuchungsausschuß und seiner drohenden Totalblamage dort, wenigsten etwas entgegensetzen zu können, sucht er nun nach dem Maulwurf der seine Unfähigkeit und die wahren Geschehnisse verraten hat.

Er möchte eine Verräter vorstellen und den Zorn des Volkes auf diesen leiten um von sich selbst abzulenken. Das hat Nixon schon in Watergate versucht und ist damit kläglich gescheitert. Überhaupt sind Maulwurfsjäger ein eher lächerliches Volk.

Video: Maulwurffallen stellen für Anfänger – MyVideo

Aber es ist schon beachtlich wie der Freiherr in so kurzer Zeit seine ganze Herrlichkeit eingebüßt hat und selbst die Medien die ihn einst im neoliberalen und us-amerikanischen Auftrag hochgejubelt haben, kommen heute nicht mehr umhin festzustellen, dass der Kaiser nicht nur keine Kleider, sondern dazu noch eine jämmerliche Figur hat und ihm die Moral scheinbar völlig fehlt.

Er versucht mit tollen Kapriolen wieder Boden unter die Füße zu bekommen. So will er plötzlich gar keine Demokratie mehr in Afghanistan und möchte gemäßigte Taliban an der Regierung beteiligen. Dabei sagt er nicht, was gemäßigte Taliban sind und er sagt auch nicht laut, dass er im Grunde genommen die alten Stammesgesellschaften so wie immer weitermachen lassen will. Das ist im Prinzip sogar vernünftig, aber kaum durchführbar, weil Obama dann seine Niederlage eingestehen müsste und damit politisch erledigt wäre.

Guttenberg steht auf Treibsand und Mutti lächelt. Angela Merkel bestimmt jetzt den Zeitpunkt zu dem sie Guttenburg stürzt. Er ist ein Minister und Politiker auf Zeit. Selbst nach Bayern kann er sich nicht mehr retten. Dort sitzt ein breit grinsender Söder und weiß schon jetzt wie der nächste bayrische Ministerpräsident heißt, nachdem Seehofer endlich seine Sachen gepackt hat.

Guttenberg ist für längere Zeit erledigt, oder er führt ein Dasein als Merkels Schoßhündchen. Beides kommt aber auf das Gleiche heraus.

Quelle: Duckhome

27. Dezember 2009 Posted by | Afghanistan, Antimilitarismus, Bundeswehr, CDU/FDP, Deutschland, Krieg, News, Politik, SPD | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Afghanistan: Eskalation à la Irak

Eskalation à la Irak
15.12.2009

BERLIN/KABUL
(Eigener Bericht) – Vor der Konstituierung des Kunduz-Untersuchungsausschusses am morgigen Mittwoch mehren sich Hinweise auf eine unmittelbare Einbeziehung des Kanzleramts in den Vorlauf vor dem Bombardement am 4. September. Laut Berichten war die Regierungszentrale in die Entscheidung involviert, künftig auch Liquidierungsaktionen zu unternehmen. Weil Agenten der deutschen Auslandsspionage (BND) in die Vorarbeit für Attacken einbezogen gewesen seien, seien auch die Geheimdienstkoordinatoren in Berlin informiert worden. Dies war der Arbeitsbereich des heutigen Innenministers Thomas de Maizière. Experten berichten, gezielte Tötungen ähnlich dem Luftschlag vom 4. September seien ein wesentlicher Bestandteil der Kriegführung im Irak von 2006 bis 2008 gewesen. Diese Kriegsphase gilt als Vorbild für das aktuelle Vorgehen in Afghanistan. Damals war von außergerichtlichen Hinrichtungen die Rede. Juristen mahnen, den Krieg in Afghanistan nun endlich auch rechtsverbindlich als „Krieg“ zu deklarieren; andernfalls müssten Liquidierungsaktionen wie etwa das Bombardement von Kunduz als Verbrechen abgeurteilt werden, womöglich als Mord.
„Aufständische vernichten“
Dass es sich bei dem Bombardement der beiden Tank-Lkws in der Nacht vom 3. zum 4. September bei Kunduz um eine gezielte Liquidierungsaktion gehandelt hat, kann mittlerweile nicht mehr ernsthaft bestritten werden. Schon bald hatte sich Berlin mit der Behauptung in Widersprüche verstrickt, Oberst Klein habe nur die Nutzung der Lkws als „rollende Bomben“ durch die Aufständischen verhindern wollen. Frühzeitig wurde bekannt, dass Klein den US-Bomberpiloten gegen ihren Wunsch Tiefflüge zur Warnung von Zivilisten untersagte – ein Schritt, der nur dann nachvollziehbar ist, wenn außer den festsitzenden Lkws auch die anwesenden Menschen getroffen werden sollten. Mittlerweile zitieren Medien aus einem Schreiben Kleins, in dem er berichtet: „Am 4. September um 01.51 Uhr entschloss ich mich, zwei am Abend des 3. September entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche INS (Insurgents, d.Red.) durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten.“[1] Dem entsprechen Meldungen, laut denen die „Task Force 47“ an der Vorbereitung des Bombardements beteiligt war. Die „Task Force 47“ befasst sich mit der Jagd auf Aufständische.[2]
Regierungsstrategie
Laut einem Bericht der Leipziger Volkszeitung folgte Oberst Klein mit seiner Liquidierungsaktion einer von Berlin beschlossenen Eskalationsstrategie. Im Frühjahr wurden die Einsatzregeln für die Bundeswehr geändert – mit dem Ziel, die Anwendung tödlicher Gewalt weniger als zuvor zu limitieren. Im Sommer ließ der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung „überprüfen“, ob die deutschen Soldaten ihre Waffen „offensiver“ als zuvor einsetzen dürften.[3] Wenige Wochen später berichtete Jung, die Bundeswehr stehe nun „auch in konkreten Kampfsituationen“; der damalige Generalinspekteur, Wolfgang Schneiderhan, sagte: „Es ist jetzt an der Zeit, diese Eskalation vorzunehmen.“[4] Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, war die damalige Eskalation nicht nur vom Kanzleramt gebilligt worden, sie umfasste auch die „gezielte Ausschaltung der Führungsstruktur der Taliban“ – nach dem Vorbild der US-Terrorbekämpfung.[5]
Einbezogen
Oberst Klein habe „sich nach diesen Regierungsvorgaben regelrecht ermutigt“ fühlen dürfen, „einmal kräftig durchzugreifen“, heißt es laut Leipziger Volkszeitung im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam.[6] Dass sich Klein dazu auch tatsächlich „ermutigt gefühlt“ habe, berichten Soldaten seiner Einheit, der in Leipzig stationierten 13. Panzergrenadierdivision. Darüber hinaus schreibt die Zeitung, in die Entscheidungen, die zu dem Bombardement der Tank-Lkws bei Kunduz führten, seien Kontaktpersonen des Kommando Spezialkräfte (KSK) – offenbar aus der „Task Force 47“ -, aber auch Agenten der deutschen Auslandsspionage (Bundesnachrichtendienst, BND) involviert gewesen. „Vor und nach dem Luftangriff“ habe man auch „das Kanzleramt“, „die Spitze des Verteidigungsministeriums“ und Geheimdienstkoordinatoren der Regierung einbezogen. Ob das auch für den damaligen Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche galt, der heute als Staatssekretär im Bundesinnenministerium amtiert, oder sogar für Thomas de Maizière, der als Kanzleramtsminister die oberste Aufsicht über die Dienste innehatte und mittlerweile Innenminister ist, ist nicht bekannt.
Das Vorbild
Experten weisen darauf hin, dass es den Streitkräften der Vereinigten Staaten und Großbritanniens im Irak gelang, mit einer Strategie der Truppenaufstockung bei gleichzeitigen gezielten Schlägen gegen die Aufständischen eine Zeitlang gewisse Erfolge in der Aufstandsbekämpfung zu erzielen. Dazu gehörten auch gezielte Liquidierungen. Die US-Streitkräfte bildeten zu diesem Zweck spezielle „Task Forces“, in denen geheimdienstliches Personal mit diversen Spezialisten und mit Sondereinheiten kooperierte; auch Drohnen kamen zum Einsatz.[7] An diversen Unternehmungen war der britische Special Air Service (SAS) beteiligt. Es sei gelungen, rund 3.500 Aufständische binnen nur 18 Monaten „von der Straße zu holen“, berichteten britische Militärs im Jahr 2008 – allerdings seien dabei Hunderte ums Leben gekommen.[8] Der SAS hatte damals mit ernsthaften Beschuldigungen zu kämpfen, er führe de facto extralegale Hinrichtungen durch. Die damalige Kriegführung im Irak gilt als Vorbild für die aktuelle westliche Aufstandsbekämpfung in Afghanistan.
„Im Krieg legitim“
Deutsche Juristen mahnen nun, angesichts von Liquidierungsaktionen wie nahe Kunduz müsse der Krieg in Afghanistan nun endlich auch rechtsverbindlich zum Krieg erklärt werden. „Offensive, gezielte Tötungen sind in einem Krieg legitim“, behauptet etwa der einstige Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz: „Darum muss jetzt klargestellt werden, ob wir uns in Afghanistan in einem Krieg befinden“.[9] Ähnliche Schlüsse ziehen mehrere prominente Völkerrechtler. Sollte Berlin sich weiterhin weigern, den Zustand in Afghanistan als das zu benennen, was er ist, müsste bei gezielten Liquidierungen die Staatsanwaltschaft einschreiten. Einmal war dies bereits der Fall, auch wenn keine Konsequenzen folgten. Grundsätzlich ist selbst die Einstufung derartiger Liquidierungsaktionen vor Gericht als Mord nicht auszuschließen, zumal dann, wenn Zivilisten zu Tode kommen. Dass in Berlin deswegen zwar Völkerrechtler bemüht werden, dass jedoch die umstrittene Eskalationsstrategie keineswegs eingestellt wird, lässt deutlich erkennen, was Afghanistan in den kommenden Monaten bevorsteht.
[1] Zweifel an Gründen für Entlassung Schneiderhans; Spiegel Online 12.12.2009
[2] Geschichte einer tödlichen Nacht in Afghanistan; Welt Online 13.12.2009
[3] Mehr Befugnisse für Soldaten; Süddeutsche Zeitung 29.06.2009
[4] Geplante Eskalation vor den Präsidentschaftswahlen; Welt Online 23.07.2009
[5], [6] Neue Hinweise auf regierungsintern genehmigte Tötungsaktion im Fall Kundus; Leipziger Volkszeitung 12.12.2009
[7] U.S. Teams Weaken Insurgency In Iraq; The Washington Post 05.09.2008
[8] SAS kills hundreds of terrorists in ’secret war‘ against al-Qaeda in Iraq; The Sunday Telegraph 30.08.2008
[9] Kundus: Gezieltes Töten erlaubt? Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 13.12.2009
Quelle:  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57697

15. Dezember 2009 Posted by | Afghanistan, AFPAK, Bundeswehr, CDU/FDP, Deutschland, International, Krieg, NATO, News, Politik | , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Afghanistan-Massaker: Freiherr opfert Bauern

Freiherr opfert Bauern

Von Frank Brendle

Die Bundeswehrführung hat die Aufklärung des Massakers vom 4. September bei Kundus monatelang hintertrieben und kritische Berichte von Feldjägern zurückgehalten. Nachdem die Vertuschungsaffäre am Mittwoch aufgeflogen war, mußten Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert (CDU) auf Druck von Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) zurücktreten.

In der Nacht zum 4.September hatten zwei US-Kampfbomber auf Anforderung des Bundeswehroberst ­Georg Klein zwei von Taliban entführte Tanklaster in der Nähe von Kundus in Nordafghanistan bombardiert. Die Fahrzeuge waren in einem Flußbett steckengeblieben. Dabei starben bis zu 142 Menschen.

Exverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte stets geäußert, es seien »ausschließlich terroristische Taliban« getötet worden. Dabei war deutschen Kräften vor Ort schon am Abend nach dem Bombardement das Gegenteil klar. Das geht aus Berichten deutscher Feldjäger und von ­NATO-Verbündeten hervor, über die Bild gestern berichtete. Guttenberg bestätigte die Richtigkeit der Dokumente, die er erst von dem Springer-Blatt erhalten haben will.

So hatte das deutsche Regionalkommando am 4.September gemeldet, die Taliban hätten unbewaffnete Dorfbewohner gezwungen, »bei der Bergung des Benzins zu helfen. 14 von ihnen sind seitdem verschwunden«. Die Behauptung des verantwortlichen Bundeswehrobersten, er habe sich über Videoaufnahmen aus einem der Kampfbomber und über einen Informanten vergewissert, daß nur Taliban vor Ort seien, wird regelrecht zerpflückt: Es sei unmöglich gewesen, »anhand der Bilder die Aussagen des Informanten zu bekräftigen«, heißt es in einem Bericht von NATO-Verbündeten. Zumal dieser Spitzel überhaupt nicht am Ort des Geschehens war, sondern lediglich in Telefonkontakt mit den Rebellen stand.

Am 6. September traf beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam ein Bericht deutscher Feldjäger ein, der ebenfalls keinen Zweifel daran ließ, daß es zivile Tote gegeben hatte. Im Krankenhaus Kundus lägen nach dem Bombardement »sechs Patienten im Alter von zehn bis 20 Jahren«, außerdem »zwei Leichen im Teenager-Alter«. Ein Militärarzt berichtete von zwei 14jährigen Jungen mit »offenem Bruch« und »Schrapnell-Verletzungen«, so Bild.

Die Feldjäger stellen fest, der Angriff habe zu »zahlreichen Toten und Verletzten« geführt, »ohne daß unmittelbar vor und nach dem Vorfall adäquat gehandelt wurde«. Schneiderhan soll für die Zurückhaltung dieser Dokumente verantwortlich sein. Mitte September war er selbst nach Kundus geeilt und hatte Korpsgeist eingefordert: Bis zum Ergebnis der juristischen Untersuchung, dem er offenbar nachhelfen wollte, müsse »man nun standhaft bleiben«. Gelogen wurde bei dem Massaker von Anfang an: Oberst Klein hatte die Bomber mit der Falschaussage angefordert, er habe »direkten Feindkontakt«.

Die Oppositionsparteien wollen nun auch Guttenbergs Vorgänger Jung, der mittlerweile das Arbeitsministerium leitet, zur Rechenschaft ziehen. Schneiderhan und Wichert seien nur »Bauernopfer aus der zweiten Reihe«, sagte der Vizechef der Linksfraktion, Jan van Aken. Jung sei unfähig oder habe gelogen – in jedem Fall sei er als Minister untragbar. Linke, Grüne und SPD kündigten an, einen Untersuchungsausschuß einzurichten. Auch die FDP forderte »rückhaltlose Aufklärung«. Jung selbst wollte gestern abend nach Redaktionsschluß vor den Bundestag treten. Die hessische Linksfraktion zeigte den Hobbywinzer wegen versuchter Strafvereitelung im Amt an.

Quelle: http://www.jungewelt.de 27.11.09

27. November 2009 Posted by | Afghanistan, AFPAK, Bundeswehr, CDU/FDP, Deutschland, International, Krieg, NATO, News | , , , , | 1 Kommentar

Afghanistan:Permanenter Bürgerkrieg im autoritären Militärstaat: Die westlichen Strategen planen für Afghanistan „Zukunft“

Permanenter Bürgerkrieg im autoritären Militärstaat: Die westlichen Strategen planen für Afghanistan „Zukunft“

Bereits im März 2009 hatte die frisch gewählte US-Regierung unter Barack Obama eine neue Afghanistan-Strategie angekündigt. Sie setzte im Wesentlichen auf umfangreiche Truppenerhöhungen, eine Ausweitung der Kampfhandlungen auf Pakistan („AFPAK“), eine größere Beteiligung der Verbündeten und – immer wichtiger – den massiven Aufbau afghanischer Repressionsapparate.

Nachdem diese Maßnahmen den Krieg wie absehbar noch weiter eskaliert haben, ist in Washington eine heftige Debatte um das weitere Vorgehen entbrannt. Auf der einen Seite findet sich US-General Stanley McChrystal, Kommandeur der NATO Truppen in Afghanistan. Obwohl mittlerweile mehr als 100.000 westliche Soldaten am Hindukusch stationiert sind (etwa 70.000 unter NATO- und 30.000 unter US-Kommando), fordert er nachdrücklich 40.000 weitere Kämpfer. Auf der anderen Seite plädiert Vizepräsident Joseph Biden dafür, das Engagement künftig auf die Bekämpfung von Al-Kaida zu beschränken und damit die Präsenz deutlich zu reduzieren. Mittlerweile deutet sich an, dass sich Obama – und damit wohl auch die NATO – für einen schlechten Kompromiss aus diesen beiden Ansätzen entscheiden wird: Zunächst wird die Truppenzahl nochmals erhöht, perspektivisch soll aber der massive Ausbau der afghanischen Repressionsapparate es ermöglichen, die Präsenz in Richtung der Biden-Lösung zu verringern.

Auch Deutschland ist – wie meistens – mit dabei. Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verkündet, man wolle (sprich: könne) schließlich nicht ewig in Afghanistan bleiben, perspektivisch müsste über einen (Teil)Abzug nachgedacht werden. Kurzfristig wird aber die US-Truppenaufstockung begrüßt und wohl auch unterstützt werden. Da man aber außerdem dort aber unbedingt auch künftig ein pro-westliches Regime an der Macht halten möchte, muss die Zentralregierung über den Aufbau der Repressionsorgane in die Lage versetzt werden, sich an der Macht zu halten. Gerade Deutschland macht sich hierfür besonders stark. Den Großteil der „Drecksarbeit“ sollen künftig also einheimische Kräfte übernehmen, um die allerspätestens nach den jüngsten Wahlen völlig diskreditierte Karzai-Regierung an der Macht zu halten. Für diese Afghanisierung des Krieges wurde die Zielgröße für die afghanische Polizei und Armee von ursprünglich 150.000 auf inzwischen 400.000 angehoben. Afghanistan droht damit aber zu einem autoritären Militärstaat zu werden, in dem die vom Westen aufgebauten – und beaufsichtigen – Regierungstruppen einen permanenten Bürgerkrieg gegen den paschtunischen Widerstand führen werden. Nicht zuletzt, weil dies auch Guttenberg klar ist, argumentierte er, eine Reduzierung der Präsenz erfordere es einzugestehen, „dass man in Afghanistan an seine Grenzen stößt, wenn man von einer Demokratie westlichen Stils zu träumen beginnt.“ (FAZ, 11.11.2009)

Washington: Eskalationskonsens

Laut New York Times (11.11.2009) wurden Barack Obama inzwischen vier verschiedene Optionen vorgelegt. Sie sehen einen Truppenaufwuchs von entweder 20.000, 25.000 oder 30.000 Soldaten vor (die letzte Option wird nicht näher beschrieben, scheint aber keine Truppenerhöhungen zu beinhalten).

Dem Bericht zufolge haben sich Verteidigungsminister Robert Gates, Generalstabschef Mike Mullen und Außenministerin Hillary Clinton inzwischen darauf verständigt, die 30.000er-Option zu befürworten. Deshalb sei damit zu rechnen, dass sich auch Obama in diese Richtung entscheiden werde (allerdings sind damit auch die Vorschläge Joseph Bidens keineswegs vom Tisch, s.u.). Damit bleibt die US-Regierung – etwas – unter den Forderungen des NATO-Kommandeurs, scheint sich aber dennoch zu einer erheblichen Ausweitung des Engagements entschieden zu haben. Zumal man bestrebt ist, die NATO-Verbündeten mit ins Eskalationsboot zu hohlen und so McChrystals „Wunschzahl“ von 40.000 Soldaten erreichen zu können.

Kuhhandel: Deutsche Ausbilder statt Kämpfer?

Wiederholt hat die Obama-Administration den EU-Verbündeten ins Stammbuch geschrieben, sie erwarte von ihnen gefälligst eine stärkere militärische Unterstützung der Kriegsanstrengungen. Auch bei der nun anstehenden Entscheidung, noch mehr Truppen an den Hinduksuch zu entsenden, dürften die USA von den anderen NATO-Staaten ebenfalls Mehrleistungen erwarten.

Von deutscher Seite wurde allerdings bereits von Verteidigungsminister Franz-Josef Jung und nun nochmals von seinem Nachfolger Guttenberg klargestellt, eine Truppenerhöhung werde es vor der Anfang 2010 stattfinden internationalen Afghanistan-Konferenz nicht geben – vielleicht stimmt das sogar. Denn es müssen nicht unbedingt Soldaten mit einem direkten Kampfauftrag sein, um Washington zufrieden zu stellen. Schon beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister betonte der Generalsekretär der Allianz, Anders Fogh Rasmussen, dass für die angestrebte Afghanisierung des Kriegs die von NATO und Europäischer Union (EUPOL Afghanistan) unternommenen Anstrengungen zum Aufbau der Repressionsapparate erheblich intensiviert werden müssten: „‚Wir werden mehr Ausbilder brauchen, und wir werden mehr Mittel brauchen, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu stärken‘, sagte Rasmussen. Das habe er den Ministern sehr deutlich gesagt. Jetzt in die Fähigkeiten Afghanistans zu investieren, bedeute, dass es später weniger nötig sei. Der Nato-Einsatz ende dann, wenn die Afghanen in der Lage seien, die Verantwortung für ihr Land selbst zu übernehmen.“ (Reuters, 23.10.2009)

Und genau in diese Richtung scheint nun der Hase zu laufen: „Washington hofft, die NATO-Verbündeten davon überzeugen zu können, zumindest zusätzliche Ausbilder für die afghanische Armee und Polizei zu entsenden. Diese Beiträge könnten die Gesamtgröße nahezu auf das Niveau der 40.000 bringen, die McChrystal gefordert hat“, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters (10.11.2009). Vor diesem Hintergrund sind auch für Deutschland allerlei Kuhhandel denkbar, Washington bei der weiteren Eskalation unter die Arme zu greifen, ohne Truppen direkt mit einem Kampfauftrag entsenden zu müssen. So könnte man einfach Polizeiausbilder entsenden, da diese ohne Mandat – und damit den ganzen Medienrummel um das hierfür erforderliche Bundestagsmandat – entsendet werden können. Da aber zweifelhaft ist, ob sich hierfür genug Freiwillige finden, könnte man auch ein separates Mandat beschließen, indem groß verkündet wird, die Ausbilder seien strikt getrennt vom restlichen NATO-Auftrag zu sehen, da sie kein Kampfmandat hätten (sondern nur die ausbilden sollen, die das für sie übernehmen).

Unwahrscheinlich ist es jedenfalls nicht, dass Deutschland im Ausbildungsbereich erheblich aufstocken könnte. Viel sagend merkte auch US-Außenministerin Hillary Clinton an: „Es gibt also eine Reihe von Möglichkeiten, wie Deutschland mitmachen kann.“ Deshalb hoffe sie, „dass, was auch immer Präsident Obama entscheiden wird, so überzeugend sein wird, dass wir gemeinsam weitermachen werden.“ (Die Welt, 11.11.2009) Der Spiegel berichtete bereits am 12. Oktober, an die Bundesregierung sei die US-Forderung ergangen, 1.200 weitere Ausbilder für die NATO-Trainingsmission nach Afghanistan zu entsenden.

Übergabestrategie in Verantwortung?

Ganz ähnlich wie Guttenberg, der meinte man könne ja schließlich nicht bis zum „Sankt-Nimmerleins-Tag“ am Hinduksuch bleiben, äußerte sich auch Kanzlerin Angela Merkel in ihrer jüngsten Regierungserklärung. Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan müsse nun „in eine neue Phase“ geführt werden. Es gelte nun auszuarbeiten, „wie und mit welchen konkreten Schritten“ die neue Phase gestaltet werden könne. „Wir wollen eine Übergabestrategie in Verantwortung festlegen.“ (Die Welt, 11.11.2009)

Unverkennbar macht sich auch in der Bundesregierung eine gewisse Kriegsmüdigkeit breit. Man bereitet sich derzeit auf einen geordneten Teilrückzug vor, die Truppen sollen – nicht zuletzt aufgrund der ablehnenden Haltung zum Kriegseinsatz in der Bevölkerung – möglichst bald auf ein möglichst geringes Maß reduziert werden, indem der Großteil der Kampfhandlungen auf die künftig bereitstehende afghanische Armee und Polizei abgewälzt werden soll. 2015, dieser Termin wird immer wieder als Datum genannt, an dem man spätestens die afghanische Polizei und Armee soweit aufgebaut haben will, um das Land sich dann buchstäblich sich selbst und dem mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entflammenden Bürgerkrieg zu überlassen. Von einer „Übergabestrategie in Verantwortung“ kann hier jedoch keinerlei Rede sein, das voraussehbare Drama wird jedoch offenbar billigend in Kauf genommen – die grusligen Szenarien, was passiert, wenn man diesen Weg weiter beschreitet, liegen bereits auf dem Tisch.

Afghanistans Zukunft: Dauerbürgerkrieg

Der „Center for a New American Security“, eine Denkfabrik mit engsten Verbindungen zur Obama-Administration, veröffentlichte unlängst ein Papier, in dem drei mögliche Zukunftsszenarien für Afghanistan präsentiert wurden (Exum, Andrew: Afghanistan 2011: Three Scenarios, CNAS Policy Brief, 22.10.2009). Unwahrscheinlich aber möglich sie eine nachhaltige Stabilisierung des Landes ebenso wie der – aus westlicher Sicht – schlimmste Fall, ein Sieg der Widerstandsgruppen über die Karzai-Regierung und die Etablierung neuer, dezidiert anti-westlicher Machthaber.

Vermutlich werde die Entwicklung aber in folgende Richtung gehen: „Im wahrscheinlichsten Szenario wird die Obama-Regierung vorsichtig zu einer koordinierten Anti-Terror-Mission übergehen, bei der das alliierte Engagement sich auf das Training der afghanischen Armee, die Durchführung von Präzisionsangriffen aus der Luft und Spezialoperationen am Boden beschränkt. [..] Dieses wahrscheinlichste Szenario erlaubt es den USA und ihren Verbündeten weiterhin Einfluss in Zentralasien auszuüben und eine vollständige Rückkehr der Taliban zu verhindern.“ Damit wären dann auch die Präferenzen Joseph Bidens berücksichtigt, der, wie bereits erwähnt, das US-Engagement genau hierauf beschränkt wissen will. Allerdings betont das CNAS-Papier auch: „Eine kurzfristiger Truppenerhöhung wird diesem Übergang vorausgehen.“ Genau dies ist nun ebenfalls eingetreten, indem McChrystals Forderung nach mehr Soldaten offenbar nachgekommen wird.

Recht unverblümt wird zudem beschrieben, was ein solches Szenario für Afghanistan bedeuten würde: „Afghanistan bleibt im Bürgerkrieg zwischen der Regierung in Kabul, die im Wesentlichen von den Politikern und Warlords geführt wird, die das Land zwischen 1992 und 1996 befehligten, und einer entrechteten paschtunischen Gesellschaft im Süden und Osten gefangen.“ Zwar wird eingeräumt, dass von allen denkbaren Entwicklungen diese für die afghanische Bevölkerung die mit Abstand nachteiligste wäre, das scheint die westlichen Strategen jedoch nicht davon abzuhalten, genau diesen Pfad nun einzuschlagen. Erfreulicherweise gibt es aber selbst im US-Militär vereinzelte Stimmen, die sich mehr als deutlich hiergegen aussprechen.

Pro-westlicher Militärstaat

Vor kurzem quittierte der US-Militär Matthew P. Hoh, der in Afghanistan an prominenter Stelle für den zivilen Wiederaufbau zuständig war, seinen Dienst. In seinem Rücktrittsgesuch begründete er seine Entscheidung folgendermaßen: „Der paschtunische Aufstand, der sich aus zahlreichen, scheinbar endlosen lokalen Gruppen zusammensetzt, wird durch das gespeist, was die paschtunische Bevölkerung als einen andauernden Angriff auf ihre Kultur, Traditionen und Religion durch interne und externe Feinde ansieht, der seit Jahrhunderten anhält. Die amerikanische und die NATO Präsenz und Operationen in paschtunischen Tälern und Dörfern stellen ebenso wie die afghanischen Polizei- und Armeeeinheiten, die nicht aus Paschtunen bestehen, eine Besatzungsmacht dar, vor deren Hintergrund der Aufstand gerechtfertigt ist. Sowohl im Regionalkommando Ost als auch Süd habe ich beobachtet, dass der Großteil des Widerstands nicht das weiße Banner der Taliban, sondern eher gegen die Präsenz ausländischer Soldaten und gegen Steuern kämpft, die ihm von einer Regierung in Kabul auferlegt werden, die sie nicht repräsentiert.“

Anschließend listet Hoh die Defizite der Karzai-Regierung auf, die von der US-Regierung geschützt wird. Sie zeichne sich u.a. durch „eklatante Korruption und unverfrorene Bestechlichkeit“ aus sowie „einen Präsidenten, dessen Vertraute und Chefberater sich aus Drogenbaronen und Kriegsverbrechern zusammensetzen, die unsere Anstrengungen zur Drogenbekämpfung und zum Aufbau eines Rechtsstaats lächerlich machen.“ Vor diesem Hintergrund kommt Hoh zu dem vernichtenden Fazit: „Unsere Unterstützung für diese Art von Regierung, gepaart mit dem Unverständnis für die wahre Natur des Widerstands, erinnert mich fatal an unser Engagement in Südvietnam; eine unpopuläre und korrupte Regierung, die wir auf Kosten des inneren Friedens unseres eigenen Landes gegen einen Aufstand unterstützt haben, dessen Nationalismus wir arrogant und ignorant als Rivalen unserer Kalten-Kriegs-Ideologie misinterpretiert hatten.“ (http://www.presstv.ir/detail.aspx?id=110168&sectionid=3510304 )

Auch wenn den engagierten Ausführungen Hohs weitestgehend zuzustimmen ist, an einem Punkt dürfte er den Zynismus der westlichen Strategen unterschätzen. Denn es hat eher den Anschein, als dass Afghanistans Zukunft als autoritärer Militärstaat im Dauerkriegszustand weniger aus Dummheit denn aus strategischem Kalkül billigend in Kauf genommen wird. Hauptsache die Herrscher in Kabul bleiben weiterhin pro-westlich, alles andere scheint mittlerweile weitgehend egal zu sein. Ein treffender Kommentar in der taz (13.9.2009) fasste das Kalkül folgendermaßen zusammen: „Das Maximum, das der Westen in Afghanistan noch erhoffen kann, ist, einen autoritären Potentaten zu hinterlassen, der getreu dem US-amerikanischen Bonmot ‚Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn‘, der die Regierung auf prowestlichem Kurs hält. Sicherheitspolitisch könnte das sogar funktionieren, weil dessen Terror sich dann ’nur‘ gegen die eigene Bevölkerung und vielleicht noch gegen Nachbarstaaten, nicht aber gegen den Westen richtet.“ Kein Wunder also, dass Neu-Verteidigungsminister Guttenberg ankündigte, man müsse sich in Afghanistan endlich von hehren Demokratievorstellungen verabschieden.

Jürgen Wagner

http://www.imi-online.de   http://www.imi-online.de/2009.php?id=2042

12. November 2009 Posted by | Afghanistan, AFPAK, Antimilitarismus, Bundeswehr, Deutschland, International, Krieg, Naher und Mittlerer Osten, NATO, Politik, US-Imperialismus | , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Wehrbeauftragter Robbe wird sein Amt verlieren

Wehrbeauftragter Robbe wird sein Amt verlieren

„Reinhold Robbe, SPD-Politiker aus Bunde, wird nach Ablauf der Wahlperiode im kommenden Frühjahr sein Amt als Wehrbeauftragter des Bundestages verlieren.“ (OZ, 30.10.09)

Was wird aus Robbe? Wir erinnern uns an den Februar 2004, als der Seeheimer Robbe der Nordwest-Zeitung ein Interview gab, in dem er Folgendes sagte:

„Wir müssen sehen, dass alle Verantwortlichen endlich in die Hufe kommen. Das Ausland läuft uns davon. Deshalb reden die Sozialpartner doch über flexible Arbeitszeitkonten, weniger Gehalt und weniger Urlaub. Von notwendigen Veränderungen kann niemand ausgenommen bleiben – auch die Manager nicht. Jeder in unserem Wirtschaftssystem muss sich Gedanken machen, wie kann auch ich dazu beitragen, das Land wieder nach vorn zu bringen – mit gesundem Patriotismus.“

Robbe verteidigte damit die von der rot-grünen Regierung begonnene Umverteilung von unten nach oben nach dem Motto: Wir müssen alles dafür tun, damit die deutschen Kapitalisten ordentlich Profite machen und auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind, dafür müssen aber die diejenigen, welche die Werte schaffen, die Lohnabhängigen, auf Lohn bzw. Gehalt und Urlaub verzichten sowie mehr arbeiten. So einfach stellt sich der Sozialdemokrat Robbe das vor. Der Aufschrei bei den Gewerkschaften war 2004 natürlich groß und selbst Robbes Parteifreunde in Ostfriesland stärkten ihm nicht den Rücken.

2005 wurde der ehemalige Kriegsdienstverweigerer Robbe Wehrbeauftragter. Seit er in den Bundestag gewählt wurde, entwickelte sich Robbe zum Militaristen, der jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr im Bundestag zustimmte. Als die Bundeswehr sich am Krieg gegen Jugoslawien beteiligte und der damalige Verteidigungsminister Scharping dies mit falschen Behauptungen begründete, sprang ihm Robbe zur Seite. Er diffamierte damals Gregor Gysi, der  während des Krieges in Jugoslawien Friedensverhandlungen führte, als Vaterlandsverräter.

Ab 2010 (dem Agendajahr der SPD) steht Robbe seiner Partei wieder zur Verfügung. Wir können jetzt schon prognostizieren, dass er sich auf die Seite der Betonköpfe und Schröderianer stellen wird, denn „Agenda 2010 musste sein“ und wenn die schwarz-gelbe Regierung die Schrödersche „Reform“politik auf dem Rücken der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Angestellten und der sozial Schwachen weiterführt, wird Reinhold Robbe applaudieren und sagen können: „Richtig so. Was Ihr da durchzieht habe ich 2004 schon vorgeschlagen.“

Meine Empfehlung: Robbe sollte schleunigst in die FDP eintreten, dann könnte er eventuell noch eine weitere Periode das Amt des Wehrbeauftragten bekleiden und in der ostfriesischen SPD keinen Flurschaden anrichten.

Tony Kofoet (www.derfunke.de)

30. Oktober 2009 Posted by | Bundeswehr, Landkreis Leer, Ostfriesland, Politik, Seeheimer, SPD | , , , | 3 Kommentare