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Linkes Blog aus Ostfriesland

Iran: Die Macht verlagert sich auf die Straßen

von Babak Kasrayi

In den letzten Tagen ist es im Iran wieder zu Massendemonstrationen gekommen. Millionen IranerInnen sind auf den Straßen und es gibt Berichte, dass die Menschen die Straßen kontrollieren, Polizeistationen abbrennen und sich sogar Polizisten weigern, auf die Demonstranten zu schießen. Es könnten die letzten Tage der verhassten Islamischen Republik Iran (IRI) sein. Gäbe es eine revolutionäre Führung, wären die Stunden der IRI gezählt. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit Augenzeugenberichten von DemonstrationsteilnehmerInnen

Vor einem Jahr wäre es unmöglich gewesen zu glauben oder gar daran zu denken, dass die Macht des islamischen Regimes schwindet und sich unter dem massiven Druck der Menschen auf die Straßen verschiebt. Die Gleichung ist einfach: Millionen IranerInnen sind auf den Straßen und es gibt nicht genug Polizisten und Soldaten, um diese aufzuhalten.

Am 26. und 27. Dezember diesen Jahres waren gleichzeitig die schiitischen Trauertage Tasoa und Ashura. Schiitische Muslime trauern an diesen Tagen zum Gedenken an Imam Hossein, einem Enkel des Propheten Mohammed, der an Ashura ermordet wurde. Wie viele andere religiöse Feiertage wurde dieser Gedenktag von den Massen als eine Art Straßenkarneval gefeiert. In diesem Jahr haben sich die Menschen entschieden, inmitten einer revolutionären Bewegung, die vor sechs Monaten begann und die iranische Gesellschaft in den Grundfesten erschütterte, den Feiertag als Tag des Protestes zu nutzen. Es war seit einiger Zeit allgemein bekannt, dass am 26. und 27. Dezember große Protestveranstaltungen  stattfinden sollten.

Was jedoch dabei herauskam, ist viel mehr, als die meisten erwartet hatten.

Während am 26. Dezember in den Städten im gesamten Land Demonstrationen stattfanden, kam es am Sonntag, den 27. Dezember zur Kraftprobe. Millionen Menschen versammelten sich auf den Straßen in fast allen größeren iranischen Städten und wurden von den bewaffneten Machtorganen des Regimes in offene Kämpfe verwickelt. Und nicht nur das. Viele Straßen, besonders im Zentrum Teherans, wurden von den DemonstrantInnen besetzt und sind momentan unter ihrer Kontrolle. Die Leute haben damit begonnen, Stationen der regulären Polizei und der Basih-Milizen zu besetzen und in verschiedenen iranischen Städten diese sogar in Brand gesetzt und versucht in den Besitz von Waffen zu gelangen.

Es gibt einige Berichte, die darauf verweisen, dass sich eine Anzahl von Polizisten und Soldaten geweigert haben, auf die Menschen zu schießen und damit die Befehle ihrer Vorgesetzten nicht befolgten. In einem Bericht von Jaras (Netzwerk der grünen Bewegung), eine der glaubwürdigsten Nachrichtenquellen heißt es: „Der Korrespondent von Jaras berichtet, dass die Zusammenstöße sich verstärken und die Polizei die Kontrolle über viele Stadtviertel verloren hat. Militärkommandanten haben ihre Streitkräfte aufgefordert, im Zentrum von Teheran direkt in die Menge zu schießen, um die DemonstrantInnen auseinanderzutreiben. Aber es gibt Angehörige der Streitkräfte, die diese Befehle nicht befolgen, wodurch es zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften und den Befehlshabern kommt.“

Ein Jaras-Korrespondent, der die Zusammenstöße um den Enqelab-Platz beobachtete schreibt: „Nach dieser Auseinandersetzung sagte einer der Soldaten: „Ich werde niemals Menschen aus meinem eigenen Land töten.“ Er wurde dafür von seinem Vorgesetzten geohrfeigt und ihm wurde mit dem Kriegsgericht gedroht.

Die Proteste waren keinesfalls nur auf Teheran begrenzt, sondern fanden auch in Kermanshah, Shiraz, Isfahan, Qom, Mashhad, Arak, Lahijan, Najaf Abad, Salmas, Naqade, Robat Karim usw. unter der Beteiligung Hunderttausender IranerInnen statt.

Aber, wie in jeder anderen Revolution, waren die Augen in erster Linie auf die Hauptstadt Teheran gerichtet. Wenigstens acht Menschen wurden getötet, unter den Toten befindet sich auch Seyed Ali Mussawi, ein junger Neffe des gemäßigten Präsidentschaftskandidaten Hussein Mussawi, dessen Tod politische Konsequenzen haben wird. Das Regime war derart geschockt, dass „einige Polizei- und Basij-Stationen in Teheran evakuiert wurden, um zu verhindern, dass die Menschen in den Besitz von Waffen kommen konnten.“

Lasst uns einen kurzen Blick auf die Fakten werfen: die Leute verteidigen sich nicht nur gegen die bewaffneten Machtorgane des Regimes, sondern erobern Polizeistationen und bringen die Straßen unter ihre Kontrolle, Mitglieder der Streitkräfte weigern sich Befehle auszuführen. Die Menschen rufen folgende Parolen: „Dies ist der Blut-Monat, Kamenei wird gestürzt“ und „Khamenei sollte es wissen, er wird bald gestürzt.“ Es ist offensichtlich, dass die Macht sich auf die Straße verlagert!

Woran erinnert das? – Natürlich an eine Revolution.

Und tatsächlich herrscht bei den meisten Jugendlichen und den Menschen im Iran eine revolutionäre Stimmung. Viele politische Persönlichkeiten, fast alle, die Zugang zu den Massenmedien haben, haben in den letzten Monaten vor einer Revolution gewarnt und den Menschen erklärt, sie sollten nicht für eine weitere „gescheiterte Revolution“ auf die Straßen gehen. Aber jetzt wird das Wort mehr denn je benutzt. IranerInnen aus allen gesellschaftlichen Schichten, selbst diejenigen, die vor ein paar Tagen noch reformistische Positionen verteidigten, sagen jetzt: „Es kommt zur Revolution“.

Das beweist die Richtigkeit unserer Perspektiven, die von Anfang an darauf hingewiesen haben, dass es sich um eine Revolution handelt.

Was liegt vor uns?

Beim Verfassen diese Artikels beginnt das nächtliche Fest Shaame Ghariban und die Proteste finden weiterhin überall statt. In einigen Städten ist das Kriegsrecht verhängt worden. Einige Gebiete im Zentrum von Teheran stehen unter der Kontrolle der DemonstrantInnen. Es hat Versuche gegeben das Gebäude des nationalen Fernsehens und Rundfunks zu besetzen. Es ist unklar, was die Menschen dazu bewegen könnte, nach Hause zu gehen.

Wenn es eine Art Führung der Bewegung gäbe, würde das Regime innerhalb weniger Tage gestürzt werden. Das Fehlen einer solchen Führung kann den Zusammenbruch des Regimes hinauszögern, aber diesen nicht aufhalten. Seine Tage sind im wahrsten Sinne des Wortes gezählt.

Das wichtigste fehlende Element ist die direkte Rolle, welche die Arbeiterklasse spielt. Wenn die ArbeiterInnen mit einem Generalstreik eingreifen würden, brächte diese Aktion das öffentliche Leben zum Halten und würde das endgültige Todesurteil für das islamische Regime zur Folge haben. Das Fehlen einer revolutionären Führung und der schlechte Organisationsgrad der ArbeiterInnen sind der Grund, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschieht.

Die Ereignisse vom 27. Dezember beweisen noch einmal und deutlicher als je zuvor, dass die Macht des Regimes am Schwinden ist und sein Sturz nur noch eine Frage der Zeit ist.

Dieser Sturz der Mullahs wird jedoch gleichzeitig den Beginn einer Periode scharfer Klassenkämpfe im Iran mit sich bringen. Es bleibt die Aufgabe der iranischen MarxistInnen eine unabhängige revolutionäre Partei der Arbeiterklasse aufzubauen, welche die ArbeiterInnen in dieser Periode zum Sieg führen kann. Es liegen wichtige Schlachten vor uns!

Notiz: Die meisten  Informationen in diesem Text kommen vom Persian2English Blog, einer Website, die von einigen AktivistInnen in Toronto betrieben wird und Unterstützung aus Europa und anderen Teilen der Welt bekommt. Diese AktivistInnen, zu denen auch der Verfasser dieses Artikel gehört, sind in den letzten beiden Tagen wach geblieben, haben die Nachrichten empfangen und diese ins Englische übersetzt, um so die vom Regime errichtete Mauer der Zensur zu durchbrechen.

Quelle: http://www.marxist.com  / Übersetzung: Tony Kofoet

28. Dezember 2009 Posted by | International, Iran, Naher und Mittlerer Osten, News, Politik, Revolution | , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Rede von Hugo Chávez in Kopenhagen

Übersetzung: Klaus E. Lehmann, M. Daniljuk

www.amerika21.de

XV. Internationale Konferenz der Organisation der Vereinten Nationen über den Klimawechsel, Kopenhagen, Königreich Dänemark, Mittwoch, 16. Dezember 2009

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, ich verspreche Ihnen, dass ich nicht länger reden werde als derjenige, der hier heute Nachmittag am längsten gesprochen hat. Erlauben Sie mir einen Kommentar zu Beginn, den ich gerne zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt gemacht hätte, der von den Delegationen Brasiliens, Chinas, Indiens und Boliviens wahrgenommen worden ist. Wir waren auch da und haben ums Wort gebeten, aber es war nicht möglich, an die Reihe zu kommen. Die Vertreterin von Bolivien hat gesagt… Grüße bei dieser Gelegenheit natürlich an den Compañero Evo Morales, der auch hier anwesend ist, den Präsidenten der Republik Bolivien… [Beifall bei den Anwesenden]

… sie sagte unter anderem das Folgende, beachten Sie dies, sie sagte: Der vorgelegte Text ist nicht demokratisch, er bezieht nicht alle mit ein. Ich war gerade erst angekommen und wir waren dabei uns hinzusetzen, als wir die Präsidentin der vorherigen Sitzung, die Ministerin, sagen hörten, dass da ein Dokument aufgetaucht sei, aber eins, das keiner kennt. Ich habe nach dem Dokument gefragt, wir haben es noch nicht vorliegen, ich glaube niemand hier weiß etwas von diesem Top-Secret-Dokument. Nun ist das gewiss nicht demokratisch, die bolivianische Genossin hat es gesagt, es bezieht nicht alle mit ein, also, meine Damen und Herren: Ist das vielleicht nicht genau die Realität dieser Welt? Befinden wir uns etwa in einer demokratischen Welt? Bezieht denn etwa das weltweite System alle mit ein? Können wir denn überhaupt irgendetwas Demokratisches vom gegenwärtigen weltweiten System erwarten? Was wir auf diesem Planeten erleben, ist doch eine imperiale Diktatur und so fahren wir von diesem Platz aus zu fort öffentlich zu bekunden: Nieder mit der imperialen Diktatur! Es leben die Völker und die Demokratie und die Gleichheit auf diesem Planeten! [Beifall bei den Anwesenden]

Und das, was wir hier sehen, spiegelt genau dies wieder: den Ausschluss. Es gibt eine Gruppe von Ländern, die sich für überlegen halten, gegenüber uns, die wir aus dem Süden sind, uns, die wir aus der Dritten Welt sind, die wir unterentwickelt sind, oder wie unser großer Freund Eduardo Galeano sagt: Wir sind die abgewickelten, die überfahrenen Länder, als ob uns ein Zug der Geschichte überfahren hätte. Wir sind also nicht gerade erstaunt, nicht verwundert darüber, dass es keine Demokratie gibt auf der Welt und so sehen wir uns einmal mehr einer offensichtlichen weltweiten imperialen Diktatur gegenüber. Später sind zwei junge Leute hier heraufgekommen, glücklicherweise haben sich die Ordnungsbeamten zurück gehalten, haben nur ein bisschen geschubst und die beiden haben sich gefügt, oder? Dort draußen sind eine Menge Leute, wissen Sie? Klar, die passen nicht alle hier in den Saal, so viele Leute. Ich habe in der Presse gelesen, dass es ein paar Verhaftungen gegeben hat, ein paar heftige Proteste, dort in den Straßen von Kopenhagen und ich möchte all diese Menschen da draußen grüßen, zumeist junge Leute. [Beifall bei den Anwesenden]

Klar, es sind die jungen Leute, die sich Sorgen machen, ich glaube, sie machen sich zu Recht viel mehr Sorgen um die Zukunft der Welt als wir; wir hier – wenigstens die Meisten von uns, die hier sind – wir haben die Sonne ja schon im Rücken, während sie die Sonne noch von vorne sehen und sehr besorgt sind. Man könnte sagen, Herr Präsident, dass ein Gespenst umgeht in Kopenhagen, um es mit Karl Marx auszudrücken, dem großen Karl Marx, ein Gespenst geht durch die Straßen von Kopenhagen und ich glaube, dass dieses Gespenst im Stillen auch durch diesen Saal geht, es läuft hier herum, mitten unter uns, es schleicht durch die Gänge, schlüpft unten durch, steigt wieder hoch, dieses Gespenst ist ein schreckliches Gespenst, das fast niemand beim Namen nennen will: Der Kapitalismus ist dieses Gespenst, das fast niemand beim Namen will. [Beifall bei den Anwesenden]

Es ist der Kapitalismus und dort lärmen die Völker, dort draußen kann man sie hören. Ich habe einige von den Parolen gelesen, die auf den Straßen zu sehen sind, und ich glaube das sind die Parolen von diesen jungen Leuten, ein paar davon habe ich gehört, als vorhin der Junge und das Mädchen da waren und zwei davon habe ich mir gemerkt. Unter anderem hört man zwei besonders mächtige Parolen. Die eine: Ändert nicht das Klima, ändert das System. [Beifall bei den Anwesenden]

Und die nehme ich für uns in Anspruch: Lasst uns nicht das Klima ändern! Lasst uns das System ändern! Und als Schlussfolgerung daraus fangen wir an, den Planeten zu retten. Der Kapitalismus, das Modell der zerstörerischen Entwicklung, ist dabei das Leben zunichte zu machen, er droht die Gattung Mensch endgültig zu vernichten.

Und die andere Parole regt zum Nachdenken an. Sehr passend zur Bankenkrise, die um die Welt gegangen ist und diese noch immer heimsucht, und zu der Art und Weise, in der die reichen Länder des Nordens den Bankiers und den großen Banken geholfen haben, allein was dabei die Vereinigten Staaten getan haben – man hat die Zahlen aus den Augen verloren, das ist einfach astronomisch – um die Banken zu retten. Dazu heißt es auf den Straßen folgendermaßen: Wenn das Klima eine Bank wäre, dann hätten sie es schon gerettet. [Beifall bei den Anwesenden]

Und ich glaube, das ist wahr. Wenn das Klima eine von den größten kapitalistischen Banken wäre, dann hätten es die reichen Regierungen schon gerettet. Ich glaube, Obama ist noch nicht da. Er hat den Friedensnobelpreis fast am selben Tag bekommen als er weitere dreißigtausend Soldaten losgeschickt hat, um in Afghanistan unschuldige Menschen zu töten, und jetzt kommt er her, um sich hier mit dem Friedensnobelpreis zu präsentieren, der Präsident der Vereinigten Staaten. Aber die Vereinigten Staaten haben ja das Maschinchen, um Geldscheine herzustellen, um Dollars zu drucken und sie haben so die Banken und das kapitalistische System gerettet, oder glauben zumindest sie hätten es getan. Na gut, das war das – ein Kommentar am Rande, was ich dort hatte anmerken wollen. Wir waren dabei die Hand zu heben, um Brasilien, Indien, Bolivien und China in ihrer interessanten Position zu unterstützen, die von Venezuela und von den Ländern der Bolivarischen Allianz (ALBA) mit ganzem Nachdruck geteilt wird; aber gut, man hat uns nicht das Wort erteilt, rechnen Sie mir also bitte diese Minuten nicht an, Herr Präsident. [Beifall bei den Anwesenden]

Stellen Sie sich vor, da hatte ich neulich das Vergnügen, diesen französischen Schriftsteller, Hervé Kempf, kennen zu lernen. Ich empfehle Ihnen dieses Buch, ich empfehle es wirklich, es ist auf Spanisch erhältlich und es gibt Hervé auch auf Französisch, und auf Englisch ganz sicher auch: Cómo los ricos destruyen el planeta. Hervé Kempf: Wie die Reichen den Planeten zerstören. Deswegen hat schon Christus gesagt: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als das ein Reicher in den Himmel kommt. So sprach Christus, unser Herr. [Beifall bei den Anwesenden]

Die Reichen sind dabei, den Planeten zu zerstören. Ob sie wohl vorhaben sich auf einen anderen zu begeben, wenn sie diesen hier zerstört haben? Ob sie wohl Pläne haben auf einen anderen Planeten abzuhauen? Bis jetzt ist jedenfalls noch keiner am Horizont der Galaxie zu sehen. Das Buch ist mir gerade erst in die Hände gekommen, Ignacio Ramonet, der auch hier in diesem Saal ist, hat es mir geschenkt; und wenn man ans Ende des Prologs oder des Vorwortes kommt, dann stößt man auf diesen sehr wichtigen Satz, in dem Kempf folgendes sagt, ich zitiere: “Wir werden den materiellen Konsum auf globaler Ebene nicht reduzieren können, wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Mächtigen mehrere Stufen herunter kommen und wenn wir die Ungleichheit nicht bekämpfen. Es ist notwendig, dem im Augenblick der Bewusstwerdung so nützlichen ökologischen Prinzip des globalen Denkens und des lokalen Handelns, das Prinzip hinzuzufügen, das die Situation erfordert: Weniger konsumieren und besser verteilen.” Ich glaube das ist ein guter Rat, den uns dieser französische Schriftsteller Hervé Kempf da gibt. [Beifall bei den Anwesenden]

Nun gut, Herr Präsident, der Klimawechsel ist ohne Zweifel das verheerendste Umweltproblem des gegenwärtigen Jahrhunderts: Überschwemmungen, Trockenheiten, schwere Unwetter, Hurrikans, Tauwetter, der Anstieg des durchschnittliches Meeresspiegels, die Übersäuerung der Ozeane und Hitzewellen, alles das verschärft die schweren Schläge der globalen Krisen, die uns heimsuchen.

Die gegenwärtige menschliche Aktivität überschreitet die Schwellen der Nachhaltigkeit und bringt das Leben auf dem Planeten in Gefahr, aber auch in dieser Hinsicht sind wir zutiefst ungleich. Ich möchte daran erinnern: die 500 Millionen der reichsten Leute, 500 Millionen, das sind sieben Prozent, sieben Prozent der Weltbevölkerung, diese sieben Prozent, diese fünfhundert Millionen der reichsten Leute sind verantwortlich für fünfzig Prozent der Schadstoffemissionen, während die fünfzig Prozent Ärmsten nur für fünf Prozent der Schadstoffemissionen verantwortlich sind. Deshalb macht es mich stutzig und ist es ein wenig seltsam, hier die Vereinigten Staaten und China auf eine Stufe zu stellen. Die Vereinigten Staaten kommen gerade mal auf 300 Millionen Einwohner, während China fast fünfmal soviel an Bevölkerung hat wie die USA.

Die USA verbrauchen mehr als 20 Millionen Barrel Öl am Tag, während China auf kaum 5,6 Millionen Barrel täglich kommt und da kann man doch von den Vereinigten Staaten und China nicht dasselbe verlangen. Es gibt hier einige Themen, die zu diskutieren sind und hoffentlich können wir Staats- und Regierungschefs uns hier zusammensetzen und wirklich und wahrhaftig über diese Dinge diskutieren. Darüber hinaus, Herr Präsident, sind 60 Prozent der Ökosysteme des Planeten geschädigt, 20 Prozent der Erdkruste ist geschwächt; wir sind zu gleichgültigen Zeugen der Entwaldung, der Umwandlung von Böden, der Wüstenbildung, der Störungen der Süßwassersysteme, des Raubbaus an den Meeresressourcen, sowie der Vergiftung und des Verlustes der biologischen Diversität geworden.

Die verschärfte Nutzung des Bodens überschreitet seine Regenerationssfähigkeit um 30 Prozent. Der Planet ist dabei zu verlieren, was die Fachleute die Fähigkeit zur Selbstregulierung nennen, jeden Tag werden mehr Abfallstoffe freigesetzt als verarbeitet werden können. Das Überleben unserer biologischen Art quält das Bewusstsein der Menschheit. Trotz aller Dringlichkeit sind zwei Jahre der Verhandlungen vergangen, um eine zweite Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll zu beschließen und wir wohnen nun diesem Treffen bei, ohne dass es bisher zu einer wirklichen und bedeutsamen Vereinbarung gekommen wäre.

Und was im Übrigen nun diesen Text angeht, der da aus dem Nichts kommt, wie es einige bezeichnet haben, sagt der chinesische Vertreter, sagt Venezuela und sagen wir als ALBA-Länder, die Länder der Bolivarischen Allianz, dass wir, wie bereits zum Ausdruck gebracht, keinen anderen Text akzeptieren, der nicht aus den Arbeitsgruppen des Kyoto-Protokolls und des gleichnamigen Abkommens stammt, aus den legitimen Texten, die in all den letzten Jahren mit so großer Intensität diskutiert worden sind. [Beifall bei den Anwesenden]

Und in den letzten Stunden haben Sie, glaube ich, nicht geschlafen, außer dass Sie nicht zu Mittag gegessen haben, haben Sie auch nicht geschlafen. Es erscheint mir nicht logisch, dass jetzt ein Dokument aus dem Nichts auftaucht, wie es heißt. Das wissenschaftlich gestützte Ziel, den Ausstoß schädlicher Gase zu reduzieren und auf jeden Fall eine langfristige Kooperationsvereinbarung zu erreichen, heute, zu diesem Zeitpunkt, scheint gescheitert zu sein, vorerst (1).

Was ist der Grund dafür? Da haben wir keinen Zweifel. Der Grund ist die unverantwortliche Haltung und der Mangel an politischem Willen auf Seiten der mächtigsten Nationen dieses Planeten. Niemand sollte sich beleidigt fühlen, ich verweise auf der großen José Gervasio Artigas, wenn ich sage: „Mit der Wahrheit beleidige ich weder noch fürchte ich sie.“ Aber tatsächlich ist es eine unverantwortliche Haltung, des Ausschlusses, auf eine elitäre Weise, gegenüber einem Problem, das eines von allen Menschen ist und dass wir nur gemeinsam lösen können.

Politischer Konservatismus und der Egoismus der großen Konsumenten, aus den reichsten Ländern, bedeuten ein hohes Maß an Teilnahmslosigkeit und Mangel an Solidarität mit den Ärmsten, mit den Hungernden, mit den Hauptbetroffenen von Krankheiten, von Naturkatastrophen, Herr Präsident. Es ist unerlässlich, einen neuen und gemeinsamen Vertrag zu treffen, zwischen absolut ungleichen Seiten, in Hinsicht auf die Größe ihrer Beiträge und ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Kapazitäten, und dass dieser Vertrag auf der unbeschränkten Anerkennung der in der [Kyoto-] Vereinbarung enthaltenen Prinzipien basiert.

Die entwickelten Länder sollten zu verbindlichen Kompromissen finden, klar und konkret, was eine wesentliche Verringerung ihrer Emissionen betrifft und Verantwortung für finanzielle und technische Hilfen für die ärmsten Länder übernehmen, um den zerstörerischen Gefahren des Klimawandels zu begegnen. In diesem Sinne sollte die einzigartige Stellung der Inselstaaten und der weniger entwickelten Länder allgemein anerkannt werden.

Herr Präsident, der Klimawandel ist nicht das einzige Problem, das heute die Menschheit betrifft. Andere Plagen und Ungerechtigkeiten bedrängen uns: Die Kluft, welche reiche und arme Länder trennt, hat nicht zu wachsen aufgehört, trotz aller Milleniumsziele, trotz des Finanzgipfels in Monterrey, all dieser Gipfel, wie der Präsident von Senegal hier feststellte, als er eine große Wahrheit aussprach: Uneingelöste Versprechen über Versprechen, während die Welt ihren zerstörerischen Weg fortsetzt.

Das Einkommen der reichsten 500 Individuen auf der Welt liegt zusammen über dem Gesamteinkommen der ärmsten 416 Millionen Menschen. Die 2, 8 Milliarden Menschen, die mit weniger als 2 Dollar am Tag in Armut leben, machen 40 Prozent der Weltbevölkerung aus. Sie erhalten nur fünf Prozent der der weltweiten Einkommen. Heute sterben im Jahr 9,2 Millionen Kinder, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen und 99,9 Prozent dieser Toten fallen in den ärmsten Ländern an. Die Kindersterblichkeit liegt im Durchschnitt bei 47 Toten auf eintausend Lebendgeborene, aber nur bei 5 auf Tausend in den reichen Ländern. Die Lebenserwartung liegt weltweit bei 67 Jahren, in den reichen Ländern sind es 79 Jahre, während es in einigen armen Ländern nur 40 Jahre sind. Zusammengerechnet leben 1,1 Milliarden Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser, 2,6 Milliarden Menschen ohne Sanitärservice, mehr als 800 Millionen Analphabeten und 1,02 Milliarden Personen hungern. Das ist das Szenario der Welt.

Aber jetzt zu den Gründen? Was ist der Grund? Sprechen wir von den Gründen, weichen wir der Tiefe dieses Problems nicht aus. Der Grund ist ohne Zweifel – ich kehre zu diesem katastrophalen Thema zurück – das notwendigerweise zerstörerische System des Kapitals und seines fleischgewordenen Modells: Der Kapitalismus.

Ich habe hier ein Zitat, das ich Ihnen kurz vorlesen möchte, von diesem großen Befreiungstheologen, Leonardo Boff, wie wir wissen ein Brasilianer, aus unserem Amerika. Leonardo Boff sagt folgendes zum Thema: „Was ist der Grund? Ah, der Grund ist, Glück zu suchen durch die materielle Akkumulation und Fortschritt ohne Ende. Dafür werden Wissenschaft und Technik benutzt, um mit ihrer Hilfe unbegrenzt alle Vorkommen der Erde auszubeuten.“ Und er zitiert dafür Charles Darwin und seine „natürliche Auslese“, das Überleben der Stärksten. Aber wir wissen, dass die Stärksten in der Asche der Schwächsten überleben.

Jean-Jacques Rousseau, immer wieder sei daran erinnert, sagte dieses: Zwischen dem Stärksten und dem Schwachen wird die Freiheit zerdrückt. Deshalb spricht das Imperium von Freiheit, es ist die Freiheit zu unterdrücken, einzumarschieren, umzubringen, zu vernichten, auszubeuten. Darin besteht seine Freiheit und Rousseau prägte den sparsamen Satz: Nur das Gesetz befreit.

Es gibt einige Länder, die dabei sind, Spielchen zu spielen, damit hier kein Dokument zustande kommt, weil sie genau kein Gesetz wollen. Sie wollen keine Vorschrift, weil die Inexistenz dieser Norm es ihnen erlaubt, ihre ausbeuterische Freiheit auszuspielen, ihre überwältigende Freiheit. Strengen wir uns an und machen wir Druck, hier und auf den Straßen, damit hier eine Vereinbarung getroffen wird, damit ein Dokument zustande kommt, das die mächtigsten Länder der Erde in die Pflicht nimmt. [Beifall bei den Anwesenden]

Leonardo Boff stellt gute Fragen, Präsident, Haben Sie Boff kennengelernt? Ich weiß nicht, ob Leonardo kommen konnte. Ich habe ihn vor kurzem in Paraguay kennengelernt. Immer haben wir seine Texte gelesen: Kann eine begrenzte Erde ein unbegrenztes Projekt aushalten? Die Hypothese des Kapitalismus, die unbeschränkte Entwicklung, ist ein zerstörerisches Modell. Akzeptieren wir das! Danach fragt uns Boff: Was könnten wir von Kopenhagen erwarten? Gerade dieses einfache Eingeständnis: So wie es ist, können wir nicht weitermachen, und ein einfacher Vorschlag: Wir werden den Kurs wechseln, lass es uns tun, aber ohne Zynismus, ohne Lüge, ohne doppelte Agenda, ohne Dokumente, die nirgendwohin führen, mit der Wahrheit nach vorne.

Wie lange noch, fragen wir aus Venezuela uns, Herr Präsident, meine Damen und Herren, wie lange noch werden wir diese Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zulassen; wie lange noch werden wir die aktuelle Weltwirtschaftsordnung und die geltenden Marktmechanismen tolerieren; wie lange noch werden wir erlauben, dass große Epidemien HIV-AIDS ganze Bevölkerungen ausrotten; wie lange noch werden wir es hinnehmen, dass die Hungernden sich weder selbst ernähren können, noch ihre Kinder versorgen können; wie lange wollen wir erlauben, dass Millionen Kinder an heilbaren Krankheiten sterben; wie lange wollen wir bewaffnete Konflikte hinnehmen, in denen Millionen unschuldiger Menschen massakriert werden, mit dem Ziel, dass die Mächtigen sich die Ressourcen anderer Völker aneignen.

„Beendet die Aggressionen und Kriege, die darauf abzielen, weiterhin die Welt zu dominieren und uns auszubeuten!“ Das fordern die Völker der Welt von den Imperien. Keine weiteren imperialen Militärstützpunkte, keine Staatsstreiche! Bauen wir eine gerechtere und ausgewogenere Sozial- und Wirtschaftsordnung, löschen wir die Armut aus, senken wir sofort den Spitzenausstoß an Schadstoffen, bremsen wir die Umweltzerstörung und vermeiden wir die große Katastrophe, die der Klimawechsel bedeutet, stellen wir uns hinter das uneigennützige Ziel, gemeinsam freier und solidarischer zu sein.

Herr Präsident, vor fast zwei Jahrhunderten lieferte ein universeller Venezolaner, der Befreier der Völker und Wegbereiter unseres Denkens, eine absichtsvolle Aussage: „Wenn die Natur sich uns entgegenstellt, kämpfen wir und sorgen dafür, dass sie uns gehorcht…“ Das war Simón Bolívar der Befreier. Aus Venezuela, wo uns an einem Tag wie heute, allerdings vor 10 Jahren, die größte Klimakatastrophe in unserer Geschichte ereilte: die Tragödie von Vargas, wie sie genannt wird, in Venezuela dessen Revolution eine größere Gerechtigkeit für seine gesamt Bevölkerung erreichen will.

Dies ist nur möglich über den Weg des Sozialismus. Der Sozialismus, ein anderes Gespenst, von dem Karl Marx sprach, das geht hier auch um, mehr als ein Gegen-Gespenst. Der Sozialismus, das ist die Richtung, um den Planeten zu schützen, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, und der Kapitalismus ist der Weg ins Verderben, zur Zerstörung der Welt. Der Sozialismus aus diesem Venezuela widersetzt sich den Drohungen des nordamerikanischen Imperiums.

Als die Ländern, mit denen wir das ALBA, die Bolivarianische Allianz, bilden, fordern wir, ich sage das mit Respekt, aber aus tiefster Seele, fordern wir – Simón Bolívar, den Befreier umschreibend – im Namen von Vielen auf diesem Planeten die Regierungen und Völker der Welt auf: Wenn der zerstörerische Charakter des Kapitalismus sich uns entgegenstellt, dann kämpfen wir gegen ihn und sorgen dafür, dass er uns gehorcht. Wir warten nicht mit vor der Brust verschränkten Armen den Tod der Menschheit ab.

Die Geschichte ruft uns zum Zusammenschluss und zum Kampf. Wenn sich der Kapitalismus widersetzt, sind wir gezwungen gegen ihn in den Kampf zu ziehen und Wege zum Schutz der Menschheit zu öffnen. Wir sind an der Reihe, wir erheben die Fahnen von Christus, von Muhammad, der Gleichheit, der Liebe, der Gerechtigkeit, des Humanismus – des tatsächlichen und grundlegenden Humanismus. Wenn wir das nicht tun, wird die wundervollste Schöpfung des Planeten – ein Mensch zu sein – verschwinden, sie wird verschwinden.

Dieser Planet ist tausende von Millionen Jahre alt, und dieser Planet lebte tausende von Millionen Jahre ohne uns – die menschliche Spezies, das heißt, zum Überleben wir werden ihm nicht fehlen. Jetzt sind wir, die wir ohne diesen Planeten nicht leben können, dabei die Mutter Erde [Pachamama] zu zerstören, wie Evo sagte, wie unsere Brüder, die Ureinwohner von Südamerika sagen.

Schließlich, Herrr Präsident, um schon zum Schluss zu kommen, hören wir auf Fidel Castro, wenn er sagt: Eine Gattung ist in Gefahr ausgerottet zu werden: der Mensch. Hören wir auf Rosa Luxemburg, wenn sie sagt: Sozialismus oder Barberei. Hören wir auf Christus, den Erlöser, wenn er sagt: Geseligt seien die Armen, denn sie werden die Könige im Himmelsreich. Herr Präsident, meine Damen und Herren, seien wir in der Lage, dafür zu sorgen, dass diese Erde die Menschheit nicht beerdigt, machen wir diese Erde zu einem Himmel, einem Himmel für das Leben, für den Frieden, einen Frieden in Brüderlichkeit für die gesamt Menschheit, für die Gattung Mensch. Herr Präsident, meine Damen und Herren, vielen Dank und Guten Appetit. [Beifall bei den Anwesenden]


  1. mit dem Ausspruch „por ahora“ (vorerst) wurde Chávez 1992 berühmt, als er die Verantwortung für das Scheitern eines von ihm geführten Militäraufstandes bekannt gab und ergänzte „…., vorerst.“

21. Dezember 2009 Posted by | International, Klimapolitik, Lateinamerika, News, Politik, Revolution, Sozialismus, Umweltpolitik, Venezuela | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Bolivien: Ein grandioser Sieg für Evo und ein Votum für den Sozialismus

von Jorge Martin

16.12.2009

Evo Morales und die MAS (Movimiento al Socialismo) errangen in Bolivien bei den Wahlen vom 06. Dezember einen überragenden Sieg. Die Menschenmenge in der Hauptstadt La Paz begrüßte Morales‘ Siegesrede mit den Rufen „Sozialismus, Sozialismus“.

Die offiziellen Ergebnisse zeigen das Ausmaß des Sieges: Mehr als 64% der WählerInnen (2,9 Millionen) stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 94% für Evo Morales. Die MAS gewann in sechs Departamentos (La Paz, 80%; Torero, 79%; Potosí, 78%; Cochabamba, 68%; Chuquisaca, 56%; und Tarija, 51%). In der ArbeiterInnen-Hochburg El Alto, dem Zentrum der revolutionären Bewegungen von 2003 und 2005, stimmten 87% für Evo Morales. Es ist wichtig herauszustellen, dass Tarija ein Teil der Media-Luna-Provinzen im Osten des Landes ist, wo es der reaktionären Opposition bei früheren Wahlen immer gelungen war, die Massen zu mobilisieren. Der rechten Opposition, die vom vielgehassten früheren Bürgermeister von Cochabamba, Manfred Reyes,  angeführt wird, gelang es die Departamentos Santa Cruz (52% gegenüber 40% für die MAS), Pando (51% gegenüber 44% für die MAS) und Beni (53% gegenüber 37% für die MAS) zu gewinnen.

Selbst im reaktionären Santa Cruz schaffte es die MAS 9 von 15 Provinzen zu holen. Die Opposition gewann in der Hauptstadt ihre Stimmen im Stadtzentrum, während die MAS massenhaft WählerInnen in den ArbeiterInnenvierteln außerhalb des Zentrums für sich gewinnen konnte. Der offizielle Wahlkampf der MAS fand relativ wenig Gegenliebe bei den AktivistInnen der MAS, weil er darauf abzielte, „die Mittelschichten anzusprechen“, was zur Verwässerung der politischen Ziele und sogar zu Bündnissen mit Mitgliedern der reaktionären UJC führte, die faschistische Banden organisiert hatte, welche am Staatsstreich gegen Morales im September 2008 beteiligt waren. Diese Politik hat sich als falsch erwiesen, da die Stimmenanteile in den ArbeiterInnenvierteln der Hauptstadt solide blieben, während sie in der Innenstadt zurückgingen.

Morales hat bei diesen Wahlen annähernd doppelt so viele Stimmen bekommen wie 2005 als er mit 53% und 1,5 Millionen Stimmen erstmals zum Präsidenten gewählt wurde. Damals waren 3,5 Millionen BolivierInnen wahlberechtigt, diese Zahl lag bei der aktuellen Wahl bei 5,1 Millionen. Hunderttausende BürgerInnen, vor allem Arme aus den Städten und auf dem Lande, die es in der Vergangenheit nicht einmal für nötig gehalten hatten sich zu registrieren, sind jetzt in den politischen Kampf mit einbezogen worden. Das ist eine Folge der vielen Kämpfe, die Bolivien seit Beginn des Jahrtausends erschüttert haben und zur Wahl Evo Morales‘ 2005 führten.

Die Hoffnungen und Bedürfnisse der Masse der ArbeiterInnen und der Bauern Boliviens fanden ihren Ausdruck in der massiven Stimmabgabe für Morales, dessen Wahlkampf auf der Vorstellung basierte, eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zu erreichen, um in Richtung Sozialismus voranzuschreiten. Der frühere Vorsitzende der MAS-Gruppe in der verfassungsgebenden Versammlung und linke Bauernführer Ramon Loayza spaltete sich von der MAS ab und kritisierte die Regierung von links. Er hatte gehofft, die Stimmen von denen zu bekommen, die der Meinung sind, dass Evo Morales sein Programm der sozialen Umgestaltung nicht schnell genug umsetzt. Da er aber ein Bündnis mit kleinen Geschäftsleuten in Santa Cruz einging, war nicht länger klar, ob er Morales von links oder rechts kritisierte. Er erhielt nur 0,33% der Stimmen. Die bolivischen Massen betrachten die MAS eindeutig als politischen Ausdruck ihres Kampfes für eine Veränderung.

Morales drückte es in seiner Rede an seine Anhänger am Wahlabend sehr klar aus, als er sagte, der Sieg bedeute: „dass wir jetzt eine enorme Verantwortung für Bolivien und die Menschheit haben, um den Prozess der Veränderung in Richtung Sozialismus zu vertiefen und zu beschleunigen.“ Einer seiner ersten Schritte war die Enteignung des Grundbesitzes von Branko Marinkovic, einem reichen Großgrundbesitzer in Santa Cruz, der hinter dem Putschversuch im letzten Jahr stand. Jedoch gibt es auch die anderen Kräfte in der Regierung und der MAS, die meinen, es sei an der Zeit für eine Versöhnung mit der Opposition!

Evo Morales wird unter einem starken Druck von Seiten der organisierten ArbeiterInnen und Bauern stehen, die diesen Wahlsieg garantiert haben, um Lösungen in allen wichtigen Fragen, wie der Landreform, der Verstaatlichung der Bodenschätze, dem Gesundheits- und Bildungswesen zu finden. Das kann nur durch die Verstaatlichung der wichtigsten einheimischen und ausländischen Großkonzerne, der Banken und der Enteignung des Großgrundbesitzes gehen, so dass die Wirtschaft der Kontrolle der ArbeiterInnen unterliegt und zum Wohle der Mehrheit der BolivierInnen geplant wird und nicht mehr von den 50 Familien, die das Land über Jahrzehnte dominiert haben.

Wie wir in Honduras, aber auch in Bolivien selbst, gesehen haben, zögert die Oligarchie nicht zu illegalen und gewalttätigen Mitteln zu greifen, um ihre wirtschaftliche und politische Vorherrschaft zu verteidigen. Jeder Versuch, dem Volk zu dienen und gleichzeitig die Macht der Oligarchie unverändert zu lassen, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn Evo Morales sich auf den Weg macht, die Oligarchie entschieden zu zerschlagen, wird er die volle Unterstützung der Massenbewegung der ArbeiterInnen und Bauern haben, welche die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren.

Übersetzung: Tony Kofoet

Quelle: www.marxist.com

16. Dezember 2009 Posted by | Bolivien, International, Lateinamerika, Politik, Revolution, Sozialismus | , , , | Hinterlasse einen Kommentar

„Wahlen“ in Honduras – Unterdrückung, Boykott und Widerstand

„Wahlen“ in Honduras – Unterdrückung, Boykott und Widerstand

von Jorge Martin

30.11.2009

Bei den vom Putschisten-Regime in Honduras einberufenen Wahlen am 29. November kam es, trotz der Unterdrückungsmaßnahmen durch Militär und Polizei, zu einer hohen Wahlenthaltung. Es gelang dem Regime nicht, die Bewegung der ArbeiterInnen, Bauern und Jugend zu zerschlagen. Im Gegenteil, diese ist jetzt politisch bewusster, besser organisiert und bereit, den Kampf gegen die Oligarchie zu führen.

Der rechtmäßige Präsident Mel Zelaya verkündete aus seiner Zufluchtsstätte in der brasilianischen Botschaft, dass die Wahlenthaltung bei 65% gelegen habe, in einigen Gebieten im Norden des Landes sogar bei 75% . In einer offiziellen Stellungnahme der Nationalen Widerstandsfront gegen den Putsch wird die Zahl der Nichtwähler mit zwischen 65% und 75% der registrierten WählerInnen angegeben.

Die offiziellen Zahlen der Obersten Wahlkommissionen können nicht ernst genommen werden, da diese von einer Wahlbeteiligung von 61% spricht, was bedeuten würde, dass mehr WählerInnen ihre Stimmen abgegeben hätten als 2005, wo die Wahlbeteiligung bei 56% lag. Um auch das gewünschte Ergebnis zu erreichen, wurde die offizielle Auszählung aufgrund einer „technischen Störung“ nach dem Schließen der Wahllokale für mehr als drei Stunden unterbrochen.

Brutale Repressionsmaßnahmen

Die hohe Wahlenthaltung fand statt trotz der brutalen Repressionsmaßnahmen, die im gesamten Land vor dem 29. November und am „Wahl“tag selbst durchgeführt wurden. Einige Kommentatoren bemerkten, dass es wegen der hohen Anzahl von Polizisten und Soldaten in den Straßen „mehr Stiefel als Wählerstimmen“ gab. Das Micheletti-Regime hatte die Notstandsverordnung wiedereingesetzt, welche die Verfassungsrechte erheblich beschneidet.

Viele Armen- und Arbeiterviertel in der Hauptstadt Tegucigalpa und in anderen Städten, in denen die Widerstandsbewegung stärker ist, waren praktisch den ganzen Tag über von der Armee besetzt. Das trifft besonders auf die Stadtviertel Kennedy, La Paz, El Sitio, 3 de Mayo, 15 de Septiembre, El Pedregal, Río Grande usw.

In einem Telefongespräch berichtete der linke Parlamentsabgeordnete und führende Widerstandskämpfer Tomas Andino, dass Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Mitglieder der Widerstandsbewegung während der Woche verhaftet worden seien. Die Polizei war in die Häuser normaler BürgerInnen gegangen, um nach Materialien zu suchen, die zum Wahlboykott aufriefen, sie nahm Farbe und Sprühdosen in Beschlag. Viele der Verhafteten wurden beschuldigt, Mitglied einer „illegalen Organisation“ zu sein.

Andino erklärte, dass die Armee bei der Suche nach Anti-Wahlmaterialien die Büros verschiedener Gewerkschaften und Nachbarschaftsorganisationen stürmte, so z.B. auch die der kirchlichen Organisation INESCO in San Juan Opoa, Coban. Die Büros des kooperativen Netzwerks Red Comal in Siguatepeque wurde ebenfalls am Samstag überfallen und die Armee erbeutete Computer und Geld. Am Wahltag selbst explodierte eine Bombe vor dem Büro des Frauenrechtszentrums in San Pedro Sula. Das Hauptquartier der STIBYS, der Gewerkschaft der ArbeiterInnen in der Getränkeindustrie, welche das Rückgrat der Widerstand bildet, wurde mit einem Maschinengewehr aus einem fahrenden Auto beschossen.

Außerdem berichtete Andino, dass die oppositionelle Radiostation Canal 36 „80% der Zeit nicht senden kann, weil die Armee starke Signale auf derselben Wellenlänge sendet, besonders wenn  Canal 36 Nachrichten oder Stellungnahmen gegen die Putschisten-Regierung ausstrahlt.“

Andino erklärte uns, dass der Widerstand eine „Volks-Ausgangssperre“ ausgerufen habe, so dass die Leute zu Hause blieben und nicht wählen gingen. Selbst unter diesen schwierigen Bedingungen fand in San Pedro Sula eine Demonstration statt, die von der Polizei brutal niedergeknüppelt wurde. Zwei Menschen wurden schwer verletzt und 49 verhaftet. Auch ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, der von der Demonstration berichten wollte, wurde bei dem Polizeieinsatz verletzt.

Nach Informationen der Widerstandsfront kam es zu mehr als 74 Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl seitens der Polizei und der Armee und allein am Wahltag wurden mehr als 100 Menschen verletzt. Dies ist kaum das Klima, in dem demokratische Wahlen stattfinden können.

Es ist noch erwähnenswert, dass der rechte Flügel der Demokatischen Vereinigungspartei (UD), der von Cesar Ham angeführt wird, sich für die Teilnahme an den Wahlen entschied, Dieser Parteiflügel besiegelte damit seinen Verrat an der Widerstandsbewegung und sein eigenes Schicksal als legitime linke politische Kraft. Die UD hatte sich wegen der Wahlbeteiligung gespalten, der linke Flügel um Tomas Andino u. a. hat die Wahlen konsequent abgelehnt.

Die Volksbewegung ist nicht zerschlagen worden

Ein Genosse, der Honduras einige Tage vor den manipulierten Wahlen besuchte, berichtete über die Stimmung in den Arbeitervierteln der Hauptstadt:

„Die Kämpfe sind offensichtlich etwas abgeflaut, aber der revolutionäre Prozess ist nicht zerschlagen worden. Überall kann man sehen, dass Wahlplakate abgerissen worden sind. Der Widerstand organisiert den Wahlboykott in allen Vierteln, in den meisten findet man überhaupt keine Wahlpropaganda. Die herrschende Klasse hat den ArbeiterInnen gedroht, am Montag mit einem Tintenfleck an den Arbeitsplätzen zu erscheinen, um zu beweisen, dass sie an den Wahlen teilgenommen hätten, ansonsten würden sie entlassen. Einige große Supermärkte geben jedem, der Tinte an den Fingern vorweisen kann, Sonderangebote oder Rabatte. Am Vorabend meiner Rückreise veröffentlichte die Hierarchie der katholischen Kirche eine Stellungnahme, in der es hieß, eine Nichtteilnahme an den Wahlen sei eine Todsünde.“

„Andrerseits kam es immer wieder zu Provokationen. Am Tag meiner Ankunft explodierten kleinere Bomben in der Nähe des Autohandels Grupo Ama oder nicht weit entfernt von der Lagerhalle, in der die Wahlurnen aufbewahrt wurden. Sie versuchen eine Stimmung zu erzeugen, die eine noch größere Militärpräsenz rechtfertigen soll.“

Es ist klar, dass die Bewegung der honduranischen Massen nicht zerschlagen worden ist. Es ist ihr zwar nicht gelungen, die Diktatur zu stürzen, dem Regime ist es aber genau so wenig gelungen, die Bewegung der ArbeiterInnen, der Bauern und der Jugend zu zerstören. Im Gegenteil, die letzten fünf Monate waren eine intensive politische Bildung voller fruchtbarer Lektionen für das honduranische Volk. Die Menschen sind jetzt politisch bewusster, besser organisiert und bereit gegen die Oligarchie zu kämpfen.

Das Micheletti-Regime wollte die Wahlen nutzen, um sich selbst zu legitimieren und sich ein „demokratisches“ Ansehen zu verschaffen. Es war ihm gelungen, Zelaya in einen Verhandlungsprozess mit einzubeziehen, der ein Farce war und letztendlich den USA die Ausrede verschafften, die sie brauchten, um die Wahlen vom 29. November anzuerkennen. Dies ist ihnen teilweise gelungen, da eine Reihe von Staaten (Peru, Kolumbien, die USA u.a.) die Rechtmäßigkeit der Wahlen und den neuen Präsidenten, den Kandidaten der Nationalen Partei Pepe Lobo, anerkennt. Dies gibt dem Regime eine gewisse Atempause und die Wiederaufnahme von Hilfsmaßnahmen aus den USA, von welchen das Land sehr abhängt. Jedoch werden Brasilien, die ALBA-Staaten u.a. standhaft bleiben und diese Wahlen nicht anerkennen.

Eine der wichtigsten Aufgaben für die AktivistInnen der Widerstandsfront ist es jetzt, eine Diskussion zu beginnen, um die wichtigsten Lehren aus dem fünfmonatigen Kampf zu ziehen. Die hohe Zahl der NichtwählerInnen zeigt die wahre Stärke der Massenbewegung und schafft die Grundlage für die Weiterführung des Kampfes gegen Oligarchie und Kapitalismus. Die honduranischen Massen haben ein Beispiel für Mut, Flexibilität und Kampfbereitschaft gegeben. Mit den richtigen Ideen und der richtigen Strategie bewaffnet können sie die herrschende Klasse Honduras, als ersten Schritt zur Verbreitung der Revolution in ganz Mittelamerika, besiegen

Die Ereignisse seit dem 28. Juni haben deutlich gemacht, dass die herrschende Klasse Honduras nicht einmal die kleinsten Reformen im Interesse der normalen arbeitenden Menschen zugestehen kann. Angesichts einer in Bewegung geratenen und bewussten Bevölkerung kann sie ihr kapitalistisches System nur mit Gewalt und brutaler Unterdrückung verteidigen. Das bedeutet auch, dass der Kampf für ein Gesundheitssystem, Bildung, Arbeitsplätze und eine Agrarreform nur erfolgreich sein kann, wenn er als Kampf zur Enteignung des Eigentums der 12 Familien, welche die honduranische Oligarchie bilden und auch die Interessen der imperialistischen Konzerne vertreten, geführt wird. Das kann nicht erfolgreich sein, wenn man Illusionen in Obama setzt, sondern nur durch den Kampf der ArbeiterInnen und der Bauern selbst. Nur sie können die Gesellschaft durch ihren Kampf transformieren.

 

30. November 2009 Posted by | Honduras, International, Lateinamerika, News, Politik, Revolution, US-Imperialismus | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Venezuela: PSUV-Kongress – Chávez fordert Fünfte Internationale

Erster außerordentliche Kongress der PSUV – Chavez fordert die Fünfte Internationale

 

von Alan Woods vom Kongress der PSUV

23.11.09

 

Bei der Eröffnungssitzung des PSUV-Kongresses hielt der venezolanische Präsident Chavez eine radikale, linke Rede und forderte die Gründung einer neuen Internationale. Er erklärte, es sei notwendig, den bürgerlichen Staat zu zerschlagen und ihn durch einen revolutionären zu ersetzen, er bezog sich dabei auch auf die Bürokratie innerhalb der bolivarischen Bewegung selbst. In dieser Rede spiegelte sich der enorme Druck der Massen wider, die das Gerede vom Sozialismus allmählich satt haben, während ihnen der wirkliche Fortschritt in Richtung echter Veränderungen frustrierend langsam vorkommt.

Am Samstag, den 21. November, begann der erste außerordentliche Parteitag der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) seine Sitzungen, an denen über 772 Delegierte teilnehmen, in der  Mehrheit ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen sowie StudentInnen, die von 2,5 Millionen PSUV-Mitgliedern gewählt wurden. Es herrschte eine Atmosphäre der Begeisterung und der Hoffnung.

Die Eröffnungssitzung begann mit revolutionären Liedern und einer Reihe von Eröffnungsansprachen von Ehrengästen aus Nicaragua und El Salvador. Danach eröffnete Hugo Chavez die offizielle Tagung mit einer fünfstündigen Rede, die kurz nach Mitternacht endete.

Im ersten Teil seiner Rede lag der Schwerpunkt auf der Notwendigkeit der Schaffung einer neuen revolutionären Internationale, die er als die Fünfte Internationale bezeichnete. Chavez führte aus, dass Marx die Erste Internationale gegründet habe, Engels sei an der Gründung der Zweiten Internationale beteiligt gewesen, Lenin habe die Dritte und Trotzki die Vierte Internationale gegründet, aber aus den verschiedensten Gründen existiere keiner dieser Internationalen heute mehr.

Chavez erklärte, dass sämtliche Internationalen ihren Ursprung in Europa gehabt und die damaligen Klassenkämpfe in Europa widerspiegelt hätten, dass aber heute das Epizentrum der Weltrevolution in Lateinamerika und besonders in Venezuela liege. Er wies darauf hin, dass an diesem Kongress 55 linke Parteien aus 39 Ländern teilnähmen, die ein Dokument namens Caracas-Abkommen( El Compromiso de Caracas) unterzeichnet hätten, das auf den Ideen eines weltweiten Kampfes gegen den Imperialismus und den Kapitalismus und für den Sozialismus basiere.

Er betonte diese Idee mehrere Male im Verlauf seiner Rede, die auch viele radikale Vorstellungen und Attacken gegen den Kapitalismus enthielt, der, wie er sagte, eine Bedrohung für die Zukunft der menschlichen Rasse sei. Er spielte auf die gegenwärtige weltweite Krise des Kapitalismus an und verurteilte die Versuche der westlichen Regierungen das System mit verschwenderischen staatlichen Maßnahmen zu retten. Unsere Aufgabe sei es nicht, so Chavez, den Kapitalismus zu retten, sondern ihn zu zerstören.

In Bezug auf die Situation in Venezuela sagte er, dass es noch nicht gelungen sei den Kapitalismus zu beseitigen, aber man sich in diese Richtung bewege. Seine Ankündigung, sieben Banken zu verstaatlichen, wurde mit begeisterten Beifallsbekundungen begrüßt. Er verurteilte die venezolanische Oligarchie als fünfte Kolonne, die sich an den Imperialismus verkauft habe.

Chavez erklärte, dass der Staat in Venezuela ein kapitalistischer Staat geblieben sei und dies ein zentrales Problem für die Revolution darstelle. Er hielt ein Exemplar von Lenins Staat und Revolution, das er den Delegierten empfahl, in die Höhe und sagte, er akzeptiere Lenins Ansicht, dass es notwendig sei, den bürgerlichen Staat zu zerschlagen und diesen durch einen revolutionären zu ersetzen, diese Aufgabe müsse noch ausgeführt werden.

Chavez widmete sich auch dem Problem mit der Bürokratie, er warnte, dass ihm bewusst sei, dass einige der anwesenden Delegierten mit irregulären Mitteln gewählt worden seien und einige Leute nur daran interessiert seien ins Parlament oder als Gouverneure oder Bürgermeister gewählt zu werden, was er als nichtannehmbar bezeichnete.

Zum derzeitigen Konflikt mit Kolumbien wiederholte er seine Forderung nach der Schaffung einer Volksmiliz, jeder Arbeiter, jeder Bauer, jeder Student, jeder Mann und jede Frau sollten eine militärische Ausbildung erhalten und das solle nicht nur auf dem Papier festgehalten, sondern auch in die Praxis umgesetzt werden.

„Ich schreibe diesem Kongress große Bedeutung zu“, erklärte Chavez, „und ich beabsichtige in seinem Verlauf eine aktive Rolle zu spielen.“ Er bestand darauf, dass dieser Kongress nicht am folgenden Tag enden solle, sondern in den nächsten Monaten regelmäßig weiter tagen solle, um all diese Fragen gründlich zu diskutieren. Er verlangte, dass die Debatten demokratisch sein, verschiedene Meinungen berücksichtigt werden und die Delegierten der Basis Bericht erstatten und mit ihr die verschiedenen Vorschläge und Dokumente diskutieren sollten.

Der Präsident betonte, dass das kommende Jahr ein sehr schwieriges werden würde. Die Opposition würde alles Mögliche anstellen, um im September 2010 die Wahlen zur Nationalversammlung zu gewinnen. „Danach werden sie auf mich losgehen“, sagte er. An diesem Punkt rief ein Delegierter: „Sie werden auf uns alle losgehen.“

Das alles beleuchtet ein zentrales Problem. Nach elf Jahren gibt es Anzeichen, dass die Massen über das langsame Tempo der Revolution ungeduldig und frustriert werden. Die Krise des Kapitalismus zeigt seine Auswirkungen und viele sind empört über die Bürokratie und die Korruption, die sie überall, auch in der Bolivarischen Bewegung selbst, wahrnehmen.

Diese Bitterkeit wird manchmal in Streiks zum Ausdruck gebracht. Der Präsident zeigte sich über manche Streiks enttäuscht, obwohl er sich für einen Dialog mit den ArbeiterInnen einsetzte. Dahinter steht aber ein allgemeines Befinden, dass die RevolutionsführerInnen den Kontakt zur Basis verloren haben und nicht auf die Massen hören und deren Probleme verstehen.

Während seiner Rede betonte Chavez auch die Notwendigkeit die Traditionen revolutionärer Gewerkschaften neu zu beleben, da die Arbeiterklasse die führende Rolle in der Revolution habe. „Das Bewusstsein der Arbeiterklasse ist der Schlüssel zum Aufbau des Sozialismus“; sagte er und fügte hinzu, dass zwischen der Partei und den ArbeiterInnen ein enges Bündnis bestehen müsse.

Es ist klar, dass Chavez versucht, den Kongress zu nutzen, um der Revolution neues Leben einzuhauchen. Es bleibt zu hoffen, dass dies ein Neubeginn für das Voranschreiten der Bolivarischen Revolution sein wird, die nur erfolgreich sein kann, wenn sie in die Offensive geht, radikal mit dem Kapitalismus bricht, der Oligarchie entscheidende Schläge versetzt und einen echten ArbeiterInnen-Staat errichtet als notwendige Bedingung für das Vorwärtskommen des Sozialismus und dem Beginn einer revolutionären Welle in ganz Amerika und auf der ganzen Welt.

24. November 2009 Posted by | International, Lateinamerika, Politik, Revolution, Sozialismus, US-Imperialismus, Venezuela | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Honduras: Das Abkommen wurde als Farce entlarvt – Boykottiert die Wahlen!

Honduras: Das Abkommen wurde als Farce entlarvt – Boykottiert die Wahlen!

von Jorge Martín, 16. November 2009

In unserem vorherigen Artikel haben wir erklärt, dass es sich bei dem  Tegucigalpa/San-Jose-Abkommen, das am 30. Oktober von Vertretern des rechtmäßigen Präsidenten Mel Zelaya und denen des Putschisten-Regimes Micheletti unterzeichnet wurde, in Wirklichkeit um eine Farce handelt.

Der Inhalt des Abkommens war schon ziemlich schlimm, obwohl es von Mel Zelaya und einigen Führern des Widerstands als Sieg präsentiert wurde, aber es enthielt wenigstens einen Passus, der die Wiedereinsetzung von Präsident Zelaya, der am 28. Juni durch einen Militärputsch gestürzt worden war,  beinhaltete, aber die Oligarchie hatte keine Absicht, diese Forderung umzusetzen und begann sehr schnell zu tricksen.

Wir haben bereits davor gewarnt, dass die Wiedereinsetzung von Zelaya dem Nationalkongress überlassen wird, der in dieser Frage den Obersten Gerichtshof um Rat fragen kann. Das war eindeutig eine Falle, da sowohl dem Kongress als auch dem Gerichthof erst durch den Putsch im Juni dieses „Recht“ zugestanden wird. Tatsächlich hat der Präsident des Kongresses, der wegen der am 29. November einberufenen Wahlen nicht tagt, den Gerichtshof und weitere Körperschaften angerufen, um so die Entscheidung über Zelaya zu verzögern. In der Zwischenzeit hat Putschisten-Führer Micheletti seine Regierung zum Rücktritt bewogen und anschließend dieselben Leute in die ‚Regierung der Nationalen Einheit und Versöhnung‘ berufen, in der keine VertreterInnen Zelayas sind. Die Farce ist komplett. Bis zum heutigen Datum hat der Oberste Gerichtshof noch nicht auf die Anfrage des Kongresses reagiert.

Das alles hätte so nicht funktioniert oder hätte nicht den Hauch von Legitimität gehabt, wenn nicht die US-Administration deutlich gemacht hätte, dass sie unabhängig von der Entscheidung des Kongresses über die Frage der Wiedereinsetzung Zelayas, die Wahlen anerkennen wird.

In einem interessanten Artikel von Tomás Andino, einem der führenden Köpfe des Widerstands und Parlamentsmitglied für die linke Demokratische Vereinigungspartei (UD), heißt es: „Das Tegucigalpa-Abkommen, ist weit davon ein Sieg zu sein, es bedeutet in der Tat die Kapitulation Zelayas. Das Abkommen ist im Sinne des Empires geschrieben worden. Es ist schade, dass Mel die Kröte geschluckt und mit seiner Unterschrift das Abkommen beglaubigt hat… Es stellt sich die  Frage, dass, obwohl er unterschrieben hat, das Empire deutlich gemacht hat, dass es jede vom Nationalkongress getroffene Entscheidung akzeptieren wird, und wahrscheinlich die Wiedereinsetzung vor der Wahlfarce vom 29. November nicht akzeptieren wird, um diese nicht zu gefährden.

Boykottiert die Wahlen

Angesicht dieser Situation hat die Nationale Widerstandsfront sich entschieden, die Wahlen vom 29. November zu boykottieren. Der Kandidat der Gewerkschaften, Carlos H. Reyes, hat sich nach Rücksprache mit der Basis entschlossen, bei den Wahlen nicht zu kandidieren und zu einem Boykott aufzurufen. Eine Anzahl von KandidatInnen aus anderen Parteien (Liberale, PINU u.a.) haben ebenfalls ihren Rückzug bekannt gegeben.

Die Lage bei der linken UD ist jedoch etwas komplizierter. Die Parteiführung ist in zwei Flügel gespalten. Der offizielle Flügel, der von Cesar Ham, angeführt wird, nimmt eine opportunistische Haltung ein, und argumentiert, sie müsse am Wahlverfahren teilnehmen, um ihre Wahlregistrierung zu behalten. Außerdem würde die Partei vier Millionen Lempiras aus der staatlichen Parteienfinanzierung verlieren, falls sie die Wahlen boykottiere. Dieses Haltung ist eindeutiger Verrat an der Widerstandsbewegung. Mitglieder und AktivistInnen der UD haben sich aktiv am Widerstand beteiligt und mindestens fünf ihrer Mitglieder sind bei Widerstandsaktionen ermordet worden. Der Ham-Flügel der UD besteht aus heimtückischen Opportunisten, die sich mehr um ihre Arbeitsplätze und ihr Geld sorgen als um die Prinzipien für die sie behaupten zu stehen.

Es gibt auch einen anderen UD-Flügel, der von Renan Valdez und Tomás Andino u.a. angeführt wird, der sich selbst die ‚Wahre Führung der DU‘  nennt und gegen die Wahlen und für den Boykott auftritt. Dieser Flügel hat an die Basis appelliert, zu verhindern, dass die Partei die Wahlfarce unterstützt. Sie argumentieren richtiger Weise, dass „die Teilnahme an den manipulierten Wahlen das Putschisten-Regime legitimiere, schwierigere Bedingungen für die Niederlage der neuen Regierung zu schaffen und die UD zu einem Komplizen der Putschisten machen würde.“

Wir können feststellen, dass die Verhandlungen und das so genannte Abkommen die Rolle gespielt haben, für die sie gedacht waren:  Bei der Widerstandsbewegung für Verwirrung zu sorgen und den von den Putschisten einberufenen Wahlen einen gewissen Grad an Rechtmäßigkeit zu geben. In Washington wurde bereits signalisiert, das Wahlergebnis als rechtmäßig anzuerkennen. Der Flügel der US-Administration, der den Putsch von Anfang an unterstützt hat, hat sich gegen diejenigen durchgesetzt, die zwar mit den Zielen der Putschisten übereinstimmten, nicht aber notwendigerweise deren Methoden für gut hielten.

Jetzt ist die Situation für die Massenbewegung klar: Die Putschisten sind nur durch die Mobilisierung der Massen zu besiegen, nicht durch Verhandlungen. Tomás Andino schreibt richtig: „Es gibt nur eins, was die Lage für den Volkswiderstand retten kann, um das Eis zu brechen. Zuerst einmal müssen wir uns weigern das Tegucigalpa-Abkommen anzuerkennen und die Bevölkerung mobilisieren, um die Wahlfarce der Oligarchie am 29. November verhindern. So würden wir verhindern, dass eines der wichtigsten Ziele zur Umsetzung des Abkommens, nämlich die Legitimierung des Putsches durch Wahlen, nicht erreicht wird und nur so können wir die Bedingungen für die mittelfristige Niederlage des Putschisten-Regimes schaffen und das Ziel unseres Kampfes – die Verfassungsgebende Versammlung – erreichen.

Diese Perspektive ist unserer ähnlich. wir schrieben am 28. Oktober: “ Um den Kampf vorwärts zu bringen und ihn fortzusetzen, ist es unbedingt notwendig, Verhandlungen mit dem Regime abzulehnen und anschließend einen ernsthaften Kampf gegen die Wahlen vom 29. November zu führen. Diese Wahlen sollten allgemein abgelehnt werden, denn sie wurden von einem unrechtmäßigen Regime unter den Bedingungen der brutalen Repression ausgerufen. Der Boykott sollte durch eine massive politische Aufklärungskampagne in den Stadtvierteln organisiert werden und zu Massendemonstrationen sowie einem genau geplanten Generalstreik führen.“

Weiter heißt es in unserem Artikel:“ Die mutige Bewegung der honduranischen Massen ist nicht umsonst gewesen. Sie hat mächtige Organisationsstrukturen und Verbindungen zwischen den aktivsten Gruppen der Massen geschaffen. Die Massenbewegung hat ihr eigene Stärke und Kraft gespürt. Und vor allem hat der Bewusstseinsstand einen riesigen Sprung vorwärts gemacht. Das alles sollte nicht vergebens gewesen sein, was auch immer in den nächsten Wochen passiert. Keines der grundlegenden Probleme der honduranischen Massen ist gelöst worden und sie können nicht unter den Bedingungen eines kapitalistischen System gelöst werden, deshalb gibt es keine Alternative zur Fortsetzung des Kampfes. Es ist notwendig die fortschrittlichsten AktivistInnen der Bewegung in einer marxistischen Organisation zu sammeln. Innerhalb der der honduranischen ArbeiterInnen-Bewegung werden die MarxistInnen darum kämpfen, dem revolutionären Kampfes der Massen eine weitsichtige und entschlossene Führung zu geben, um diese zum Sieg zu führen.“

17. November 2009 Posted by | Honduras, International, Konterrevolution, Lateinamerika, News, Revolution, US-Imperialismus | , , , , | 2 Kommentare

Honduras: Diktaturwahlen und ihr Boykott

(13.11.09) Die Würfel sind gefallen. In Honduras wird die Diktatur am 29. November freie Wahlen abhalten und deren Ergebnis frisieren. Danach soll es business as usual geben. Wenn nur die unten in Honduras dabei mitspielen würden! Tun sie aber nicht, wie Reuters am 8. November zugeben muss:

„Jetzt fehlen nur noch drei Wochen bis zu den Wahlen und die Strassen, die bei jeder Kampagne dieser Art voll mit Plakaten der beiden grössten Parteien – der Liberalen und der Nationalen – waren, werden dominiert von Sprays gegen den Putsch und für einen Wahlboykott. An den Kundgebungen mit Porfirio Lobo, dem Kandidaten der Nationalen und Leader in den Meinungsumfragen, sind wenig Leute und der liberale Kandidat Elvin Santos hat alle öffentlichen Auftritte bis Mitte November abgesagt“ (Hondureños apáticos frente a elecciones).

Am 5. November hatte das Putschregime das unter Aufsicht des State-Department-Lateinamerikachefs Tom Shannon zustande gekommene Abkommen mit dem rechtmässigen Präsidenten Mel Zelaya vom 30. Oktober zu einem Fetzen Papier erklärt. Zelaya hätte dem Abkommen zufolge ab diesem Tag einer Regierung der „Nationalen Einheit“ vorstehen sollen. Windige Formulierungen erlaubten den Putschisten so zu tun, als stehe das nicht im Abkommen, der Mainstream hat das getreulich übernommen. Wie etwa, dass das Parlament über ein Amtseinsetzung Zelayas entscheiden müsse – Quatsch! Das Parlament hätte laut Abkommen über die Rücknahme seines Verfassungsbruches vom 28. Juni abzustimmen gehabt, als es nach der militärischen Gefangennahme des Präsidenten, gestützt auf ein gefälschtes „Rücktrittsschreiben“, dessen „Absetzung“ dekretiert hatte. Da ihm aber „alle“ die Präsidentenernennungbefugnis zusprechen, weiss sich das Parlament in der Pflicht, darüber zu befinden, ob es das Resultat der vergangenen Präsidentschaftswahlen akzeptiert oder nicht. Von den Vorgängern der heutigen Abgeordneten, hatte Sam Zemurray, Gründer der United Fruit (heute Chiquita) und Boss im Land, einst gesagt, sie seien billger als ein Maultier. Ihre Nachkommen heute bestätigen dies und belieben dieser Tage, Parlamentsferien einzuziehen. Schliesslich hat das Innenministerium öffentlich mitgeteilt: Wer im Kongress für Zelaya stimmt, hat ein Strafverfahren am Hals.

Danken wir es dem Obama-Gesandten Tom Shannon. Er hatte das Abkommen vom 30. Oktober aufgegleist und zwei Tage vor dem Stichdatum vom 5. November zum Witz erklärt. In CNN en español bestägigte er, dass Washington das Wahlresultat vom 29. November auch ohne einen Zelaya in der Casa Presidencial feiern werde. Die Freiheitspaladine des Mainstreams affektieren gerade Indignation betreffs afghanischer Wahlmodalitäten. Ihnen ist deshalb das „honduranische“ Detail made in Washington glatt entgangen. Wie nämlich die Obama-Administration gerade den Putsch in Honduras durchwinkt, am Handgelenk ein farbig Tüchlein, auf dem in goldenen Lettern „freie Wahlen“ steht. Den Putschisten nicht. Sie vertrauen auf Washington.

Dabei hat etwa ein John Kerry, Präsident des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats, ungehalten reagiert. Statt richtig tüchtig die Democracy-Keule gegen Chávez oder Ortega schwingen zu können, muss er sich Honduras vorhalten lassen. Etwa wenn der brasilianische Botschafter vor der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), Ruy de Lima Casaes e Silva von „einer schlecht geschriebenen Seifenoper mit düsteren Gestalten“ in Tegucigalpa spricht (New York Times, 11.11.09, Ginger Thompson. U.S. Tries to Salvage Honduras Accord). Schlechte Stimmung, schlecht fürs Brasiliengeschäft. Also gibt Kerry zu: Der „abrupte Positionswechsel“ des State Departments (die Erklärung Shannons) „verursachte den Kollaps eines Abkommens, das es auszuhandeln half“ (id.). Zu hohe Mathematik für den Mainstream, zumal andere das anders sehen. Wie Lewis Amselem, alternierender US-Botschafter vor der OAS. Als es den anderen OAS-Mitgliedern einfiel, zu sagen, ohne Wiederherstellung der Rechtsordnung würden sie die Wahlen nicht anerkennen, stiess er ihnen Bescheid: „Ich will kein Besserwisser sein, aber was bedeutet das? Was bedeutet das in der wirklichen Welt, nicht in der Welt des magischen Realismus?“ (id).

Er weiss das. Etwa aus seiner Zeit in der US-Botschaft in Guatemala von 1988-92. Die Zeit des Genozids an den indigenen Comunidades. Der US-Journalist Jeremy Bigwood erinnert sich: Amselem “pflegte der Ausrottung von hunderttausenden guatemaltekischer Indigener einen positiven Spin zu geben. Er arrangierte sogar illegale Nachschübe für die guatemaltekische Armee, nachdem die US-Militärhilfe verboten worden war“ (NarcoNews, Al Giordano. 29.9.09. US Ambassador Lew Amselem: A Ghoul from Horror Films Past). 1990 hatte sich die damalige First Lady Hillary Clinton mit dem Aufsehen erregenden Fall der 1989 in Guatemala gefolterten Nonnen Diana Ortiz befasst. NarcoNews zitiert aus den Memoiren von Ortiz:

„… nachdem ein US-Arzt allein auf meinem Rücken 111 Löcher gezählt hat, die von brennenden Zigaretten stammten, änderte die Story. Im Januar 1990 erklärte der guatemaltekische Verteidigungsminister öffentlich, dass ich eine Lesbe sei und die Entführung vorgetäuscht habe, um ein Stelldichein zu verheimlichen. Der Innenminister echote diese Erklärung und gab danach an, davon zum ersten Mal in der US-Botschaft gehört zu haben. Einem Kongress-Mitarbeiter zufolge verbreitete der Funktionär für politische Angelegenheiten in der US-Botschaft, Lew Amselem, tatsächlich das gleiche Gerücht“ (id.)

Eben, Amselem kennt sich aus in der wirklichen Welt und mit Menschenrechten und Demokratie. Ob damals in Guatemala oder heute in Honduras. Deshalb darf er in der OAS Clinton vertreten.

Nun, wie gesagt, der Widerstand spielt in diesem Skript nicht mit. In seinem Communiqué vom 9. November sagt er:

„[Unsere] Nicht-Anerkennung der Wahlfarce bleibt gültig, auch wenn Präsident Manuel Zelaya in der Zeit von heute bis zum 29. November wieder im Amt eingesetzt würde. Denn 20 Tage oder weniger sind ein sehr kurzer Zeitraum, um den Wahlbetrug zu demontieren, der ausgeheckt wurde, um einen der Vertreter der putschistischen Oligarchie durchzudrücken und so das antidemokratische und repressive Projekt zu perpetuieren“.

Es ist sinnlos, darüber zu spekulieren, wie sich die Lage genau entwickeln wird. Beide Seiten bereiten sich auf die Ereignisse rund um den 29. November vor. Sämtliche vor dem Putsch eingeschriebenen sogenannten unabhängigen Kandidaturen der sozialen Bewegungen – vom Gemeinderat bis zur Staatspräsidentschaft – haben sich von der Wahlbeteiligung zurückgezogen. Sie wären die reale linke Kraft bei den Wahlen gewesen, stark genug auf jeden Fall, um auf Anhieb den traditionellen Bipartidismus der Liberalen und der Nationalen zu sprengen. Die kleine Linkspartei DU zaudert mit diesem Schritt, zumindest ihr offizieller Präsidentschaftskandidat César Ham. Sein Argument: Eine Nichtbeteiligung an den Wahlen würde die automatische Aberkennung ihres legalen Status bewirken. Der Mann gilt schon lange als korrupt. Es ist zu erwarten, dass viele KandidatInnen der DU und einer weiteren Minipartei, des PINU, aber auch des verfassungstreuen Flügels der liberalen Partei, die Wahlen boykottieren werden,

, wie dies gerade Padilla Sunseri, der bisherige Bürgermeister der zweitgrössten Stadt des Landes, San Pedro Sula, getan hat.Berta Cáceres von der Widerstandsleitung, Exponentin der Campesina- und Indigenenorganisation COPINH, sagt zum Wahlboykott Folgendes:

Berta Cáceres

„Wir haben im ganzen Land Konsultationen durchgeführt, mit den Leuten geredet und sie um ihre Meinung zu einer Wahlbeteiligung gebeten. Die überwältigende Mehrheit sagte uns, dass es keine Teilnahme ohne vorherige Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung geben könne.“
„Wir haben eine militarisierte Gesellschaft, eine mediale Einkreisung zugunsten der Putschisten, die Teilnahme von fundamentalistischen religiösen Kreisen an der Wahlbeobachtung, die Straffreiheit für die Menschenrechtsverbrecher und die Putschbeteiligung des Wahlgerichtes.“
„Wir haben die Leute auch über ihre Bereitschaft befragt, am kollektiven Aufbau eines historischen Befreiungsprojektes wie der Verfassungsgebenden Versammlung teilzunehmen und die positive Antwort war stark. So dass unser Entschluss der Nichtbeteiligung schon in ein eher mittel- und langfristiges Projekt mündet, das nächstes Jahr beginnen und alle diese Kräfte … bündeln wird, die aufgrund der Unabhängigen Volkskandidaturen entstanden sind“.

Quelle: http://zas-correos.blogspot.com/

15. November 2009 Posted by | Honduras, International, Lateinamerika, News, Politik, Revolution, US-Imperialismus | , , , , , | 1 Kommentar

Honduras: Zelaya erklärt Abkommen für gescheitert

Zelaya erklärt Abkommen mit Putschisten für gescheitert | Drucken | E-Mail
Honduras
Freitag, den 06. November 2009 um 12:37 Uhr
Empörung in Honduras über neues Manöver der PutschistenNach der jüngsten Provokation der Putschisten hat der rechtmäßige Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, das mit den Vertretern des Regimes geschlossene Abkommen für »gescheitert« erklärt. Kurz zuvor hatte Diktator Roberto Micheletti in einer über alle Rundfunk- und Fernsehsender des mittelamerikanischen Landes ausgestrahlten Ansprache die Bildung einer »Regierung der Nationalen Einheit« verkündet, die von ihm selbst geleitet werden soll und der keine Vertreter der verfassungsmäßigen Regierung von Präsident Zelaya angehören.
In dem Abkommen, das beide Seiten vor einer Woche geschlossen hatten, war der gestrige Donnerstag als Stichtag für die Bildung einer Einheitsregierung festgelegt worden. Kein Datum war hingegen für die Entscheidung des Parlaments über eine Wiedereinsetzung Zelayas in sein Amt definiert worden, so dass Micheletti sich nun gerade auf dieses Abkommen beruft und behauptet, die von ihm geführte »Regierung« sei die Umsetzung der Vereinbarungen.

»Wir erklären, dass das Abkommen gescheitert ist, weil das De-facto-Regime sich nicht an die Verpflichtung gehalten hat, bis zu diesem Datum die Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung zu organisieren und einzusetzen, die nach dem Gesetz durch den vom Volk von Honduras gewählten Präsidenten, José Manuel Zelaya Rosales, geführt werden muss«, heisst es in der von Zelayas Vertreter Jorge Arturo Reina verlesenen Erklärung.

André Scheer  www.redglobe.de

7. November 2009 Posted by | Honduras, International, Lateinamerika, Politik, Revolution, US-Imperialismus | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Honduras: Abkommen oder Farce?

Honduras: Abkommen oder Farce?

von Jorge Martin

04.11.2009

Es ist viel Lärm um die so genannte „Wiedereinsetzung Zelayas“ gemacht worden, aber was passiert wirklich? Es hat intensive Verhandlungen gegeben, aber es wurden bisher keinerlei Schritte unternommen, um den rechtmäßigen Präsidenten Zelaya wieder in das Amt einzusetzen. In den nächsten Tagen werden wir sehen, ob das Abkommen tatsächlich umgesetzt wird.

Am Montag, den 26. Oktober, waren die Verhandlungen zwischen den Vertretern Zelayas und denen des Micheletti-Regimes abgebrochen worden. Man stimmte mit den meisten Forderungen der Zelaya-Delegation überein, außer mit der Wiedereinsetzung in das Präsidentenamt. Putschisten-Führer Micheletti rühmte sich damit, nur zurückzutreten, wenn Zelaya sich bereit erklärte auf sein Amt zu verzichten.

Die Ankunft einer hochrangigen Delegation aus den USA unter Führung von Unterstaatssekretär Tom Shannon veränderte alles. Micheletti, der bereits einen Anruf von Hilary Clinton erhalten hatte, wurde eindeutig mitgeteilt, dass die USA die von den Putschisten einberufenen Wahlen vom 29. November nicht anerkennen würden, falls nicht ein Abkommen auf der Grundlage des San-José-Abkommen zustande käme, einschließlich der Wiedereinsetzung Zelayas.

Wir haben bereits mehrfach erwähnt, dass die Bedingungen des San-José-Abkommens die Putschisten bereits durch die Errichtung einer Regierung der nationalen Einheit und der Amnestie für die Putschisten eindeutig bevorzugen würden und Zelaya seine Vorstellung von einer Verfassungsgebenden Versammlung aufgeben müsste, die Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten nur für einige Monate sein würde und er die Macht am 28. Januar 2010 einer neu gewählten Regierung übergeben müsste.

Warum sperrte sich Micheletti solange gegen die Unterzeichnung dieser Bedingungen? Er befürchtete zu Recht, dass wenn Zelaya wieder an der Macht wäre, selbst geknebelt und gefesselt, dies als Sieg der Widerstandsbewegung des honduranischen Volkes angesehen würde. Das wäre sehr gefährlich und könnte zu einem Wahlsieg eines vom Widerstand unterstützten Kandidaten führen. Wenn die Wahlen frei und fair ablaufen würden, stände die Widerstandsbewegung einmütig hinter dem Gewerkschaftsführer Carlos H. Reyes und könnte die Wahlen gewinnen. Meinungsumfragen weisen darauf hin, dass es eine starke Unterstützung für den Kandidaten der Demokratischen Vereinigungspartei, bei der Wahl zum Bürgermeister in der Hauptstadt Tegucigalpa, gibt.

Die Oligarchie war in dieser Frage eindeutig gespalten. Während eine Gruppe die Verhandlungen als Verzögerungstaktik betrachtete, welche die „internationale Gemeinschaft“ letztlich zwingen sollte, die Ergebnisse ihrer Wahlen vom 29. November anzuerkennen, fürchtete die andere Gruppe, dass ein massiver Wahlboykott, diese für unrechtmäßig erklären könnte. Washington drohte daraufhin, den Druck auf die Oligarchie – einschließlich deren Bankkonten – zu erhöhen.

Es scheint, als ob es zu einem Geheimabkommen zwischen Shannon und dem Kandidaten der Nationalen Partei Pepe Lobo gekommen ist, obwohl beide heftig bestreiten, sich jemals getroffen zu haben. Es wurde abgemacht, Zelayas Wiedereinsetzung an den Nationalkongress zu verweisen, wo die Stimmen der Anhänger Zelayas Liberalen Partei – die mittlerweile gespalten ist in Zelayistas und Putschanhängern – zusammen mit den Stimmen der Mitglieder der Nationalen Partei eine Mehrheit hätten. Dafür würden Zelaya und die „internationale Gemeinschaft“ die Wahlen vom 29. November anerkennen, die Lobo zu gewinnen hofft, falls nötig, durch Wahlbetrug.

Zelaya begrüßte das Abkommen als Sieg. „Es ist ein Triumph für die honduranische Demokratie“ , sagte er, „es bedeutet meine Rückkehr ins Amt in den nächsten Tagen und Frieden für Honduras.“

Eine Verlautbarung der Nationalen Widerstandsfront begrüßte das Abkommen ebenfalls als Sieg des Volkes. Ohne den heldenhaften Widerstand der ArbeiterInnen, der Bäuerinnen und Bauern sowie der Jugend Honduras seit über mehr als vier Monate wäre der Putsch zweifelsohne erfolgreich verlaufen und das Putschisten-Regime wäre früher oder später von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßig anerkannt worden. Wir müssen uns aber fragen, was sind die im Abkommen vereinbarten Bedingungen und können diese überhaupt in die Praxis umgesetzt werden?

Das ‚Tegucigalpa/San-José-Abkommen‘, wie es bezeichnet wird,  erwägt die Bildung einer Regierung der „Einheit und der nationalen Versöhnung“. In der Praxis sähe das so aus, dass sich die Putschisten und die Zelaya-Anhänger die Macht teilen müssten, was eindeutig zu einer Lähmung führen wird. Der Haushalt, auf dessen Grundlage die Regierung handelt würde, müsste von dem Kongress in seiner Zusammensetzung nach dem Putsch bewilligt werden.

Der zweite Punkt des Abkommens schließt jeglichen „direkten oder indirekten“ Aufruf zur Einberufung der Verfassungsgebenden Versammlung und jeden Versuch zur Förderung und Unterstützung einer Volksbefragung mit dem Ziel der Verfassungsänderung aus. Der unmittelbare Grund für den Putsch durch die Oligarchie war es, eine Volksabstimmung zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu verhindern. Mit diesem im Abkommen aufgeführten Punkt werden die Gründe für den Staatsstreich gerechtfertigt.

In Punkt drei werden die von den Putschisten einberufenen Wahlen am 29. November anerkannt und das Volk wird aufgerufen, daran teilzunehmen.

Im vierten Punkt wird festgestellt, dass Polizei und Armee zur Organisation und Überwachung der Wahlen für den Zeitraum von einem Monat vor der Wahl unter die Kontrolle des obersten Wahlgerichts gestellt werden. Da die Wahlen am 29. November abgehalten werden,  bedeutet das, dass Polizei und Armee sich außerhalb der Kontrolle des Präsidenten befinden.

Der fünfte Punkt behandelt die Wiedereinsetzung des Präsidenten. Hier wird tatsächlich ausgesagt, dass die Verhandlungskommission den Nationalkongress „respektvoll“ bittet, nach Beratungen mit dem Obersten Gerichtshof und anderen für nötig gehaltenen Instanzen, die Exekutive in den Zustand von vor dem 28. Juni bis zum Ende der Amtszeit am 27. Januar zu versetzen. Die Entscheidung, Zelaya ins Präsidentenamt zu berufen, wird dem demselben Kongress überlassen, der ihn aus dem Amt entfernt hat, nachdem der oberste Gerichthof die „Rechtmäßigkeit“ seiner Entfernung bestätigt hatte.

Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der Zelaya alle möglichen Zugeständnisse macht, ohne dass seine Wiedereinsetzung überhaupt klargestellt ist. In dem Abkommen sind noch weitere Punkte, u. a. der Aufruf an die internationale Gemeinschaft, die Wahlen anzuerkennen und alle Sanktionen aufzuheben. Es endet mit einer Danksagung, in der besonders die Rolle der Organisation Amerikanischer Staaten, von US-Präsident Obama und Außenministerin Clinton betont werden.

Aber dieses Abkommen, so schlecht es auch ist, ist nicht das Ende der Fahnenstange. Der Kongress ist eigentlich des Amtes enthoben und müsste zu einer Sondersitzung einberufen werden, um über die Wiedereinsetzung Zelayas, der sich immer noch in der brasilianischen Botschaft verstecken muss, abzustimmen. Beim Treffen am 03. November haben sich die Kongress-Vorsitzenden für die Annahme des Abkommens entschieden. Sie haben den Obersten Gerichtshof, den Generalstaatsanwalt und weitere Körperschaften um deren Meinung zur Wiedereinsetzung Zelayas gefragt, bevor sie eine endgültige Entscheidung treffen. Micheletti hat zwischenzeitlich die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit auf seine Art interpretiert. In einem Brief an Zelaya hat er diesen gebeten, ihm eine Liste mit zehn Namen zukommen zu lassen, aus der die Mitglieder der neuen Regierung ausgewählt werden sollen, was bedeutet, dass er diese selbst aussucht. Tom Shannon hat erklärt, dass die Entscheidung des Kongress respektiert werden muss, unabhängig davon, wie diese aussieht, selbst wenn entschieden wird, dass Zelaya nicht wieder in sein Amt eingesetzt wird. Er fügte hinzu, dass die USA die Wahlen vom 29. November anerkennen werden, selbst wenn der Kongress Zelaya nicht wiedereinsetzt.

Aus der Sicht Zelayas und der Widerstandsbewegung hat sich deshalb nicht viel geändert. Der rechtmäßige Präsident befindet sich immer noch in der Obhut der brasilianischen Botschaft, die von Bereitschaftspolizei und Armee umzingelt ist. Polizei und Armee prügeln weiter auf friedliche DemonstrantInnen ein und die Putschisten sind immer noch an der Macht.

Washington feiert das Abkommen als Sieg seiner diplomatischen Strategie, die Oligarchie ist ihrem Ziel näher gekommen, dass die Wahlen am 29. November international anerkannt werden und der Putschisten-Führer Micheletti ist noch Präsident.

Es ist schwer vorherzusagen, was in den nächsten Tagen passieren wird. Ein zusätzlicher Druck aus Washington könnte zur kurzzeitigen Wiedereinsetzung eines machtlosen Zelaya führen, die Oligarchie könnte aber auch zusätzliche Tricks anwenden, um das weiter hinauszuzögern.

Es gibt nur einen wirklichen Ausweg aus dieser Sackgasse. Die Massen müssten wieder aktiv werden und das Geschehen in ihre eigenen Hände nehmen. Sie können nur auf ihrer eigenen Kraft vertrauen, nicht auf die anderer.

Quelle: http://www.marxist.com   Übersetzung: Tony Kofoet

6. November 2009 Posted by | Honduras, International, Konterrevolution, Lateinamerika, Politik, Revolution, US-Imperialismus | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Der Fall der Berliner Mauer: 20 Jahre danach

Der Fall der Berliner Mauer: Zwanzig Jahre danach

von Alan Woods

Im Jahr 2009 haben wir es mit vielen Jahrestagen zu tun, u. a. der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, der Gründung der Kommunistischen Internationale und der Asturischen Kommune. Keines dieser Ereignisse findet in der kapitalistischen Presse ein Echo. Aber es gibt einen Jahrestag, den sie nicht vergessen: Am 09. November 1989 wurde die Mauer, welche die Bundesrepublik von der DDR trennte, geöffnet.

Der Fall der Berliner Mauer ist als Synonym für den Zusammenbruch des „Kommunismus“ in die Geschichte eingegangen. In den letzten zwanzig Jahren seit diesem bedeutsamen Ereignis haben wir weltweit eine bisher nie dagewesene ideologische Offensive gegen den Marxismus erlebt. Der Mauerfall wird als der entscheidende Beweis für den Tod des Kommunismus, des Sozialismus und des Marxismus gehalten. Vor nicht zu langer Zeit wurde er sogar als das Symbol für das Ende der Geschichte präsentiert. Aber seit diesem Zeitpunkt hat sich das Rad der Geschichte mehrmals gedreht.

Das Argument, dass seither das kapitalistische System die einzige Alternative für die Menschheit ist, hat sich als unglaubwürdig erwiesen. Am 20. Jahrestag des Zusammenbruchs des Stalinismus befindet sich der Kapitalismus selbst in der schlimmsten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise. Vielen Menschen sehen sich mit einer Zukunft konfrontiert, in der Arbeitslosigkeit, Armut, Kürzungen und Entbehrung das tägliche Leben bestimmen.

Die bösartige antikommunistische Kampagne wird momentan noch verstärkt. Der Grund dafür ist leicht zu verstehen. Die weltweite Krise des Kapitalismus führt dazu, dass die „Marktwirtschaft“ immer häufiger in Frage gestellt wird. Das Interesse an marxistischen Konzepten lebt wieder auf, was die Bourgeoisie natürlich beängstigt. Die neue Verleumdungskampagne ist eine Widerspiegelung ihrer Angst.

Karikatur des Sozialismus

In Russland und Osteuropa scheiterte nicht der Kommunismus oder Sozialismus, wie ihn Marx oder Lenin sich vorgestellt hatten, sondern eine bürokratische und totalitäre Karikatur. Lenin erklärte, dass die Entwicklung  in Richtung Sozialismus eine demokratische Kontrolle von Industrie, Gesellschaft und Staat durch das Proletariat erfordert. Ein wirklicher Sozialismus ist unvereinbar mit der Herrschaft einer privilegierten bürokratischen Elite, die von einer kolossalen Korruption, Vetternwirtschaft, Verschwendung, Misswirtschaft und von Chaos begleitet wird.

Die verstaatlichten geplanten Ökonomien in der UdSSR und Osteuropa erreichten in den Bereichen der Industrie, der Wissenschaft, der Gesundheit und der Bildung erstaunliche Ergebnisse. Aber wie Trotzki bereits 1936 vorhersagte, würde das bürokratische Regime die verstaatlichte geplante Wirtschaft endgültig untergraben und den Weg für deren Zusammenbruch und die Rückkehr des Kapitalismus vorbereiten.

In den 1980ern hatte die UdSSR mehr WissenschaftlerInnen als die USA, Japan, Britannien und die BRD zusammen und war trotzdem nicht in der Lage, die gleichen Ergebnisse zu erzielen wie der Westen. In den lebenswichtigen Bereichen der Produktivität und des Lebensstandards hinkte die UdSSR hinter dem Westen her. Der Hauptgrund dafür war die enorme Last, die der sowjetischen Wirtschaft von der Bürokratie aufgebürdet wurde, d.h. von den Millionen gierigen und korrupten Funktionären, welche die UdSSR regierten, ohne von der Arbeiterklasse kontrolliert zu werden.

Die erdrückende Rolle der Bürokratie führte schließlich zu einem Niedergang der Wachstumsraten in der UdSSR und das Zurückfallen des Landes hinter dem Westen. Die Kosten für die Aufrechterhaltung der Militärausgaben und die Knebelung Osteuropas belasteten die sowjetische Wirtschaft zusätzlich.

Gorbatschow repräsentierte den Flügel der Sowjetbürokratie, der für Reformen von oben stand, um das Regime als Ganzes zu erhalten. Die Situation verschlechterte sich aber unter Gorbatschow und führte unmittelbar zu einer Krise, welche unmittelbare Auswirkungen auf Osteuropa hatte, wo die Krise des Stalinismus durch die nationale Frage verschärft wurde.

Gärung in Osteuropa

Im Jahre 1989 verbreitete sich eine Welle der Rebellion von einer Hauptstadt in die nächste und stürzte ein stalinistisches Regime nach dem anderen. In Rumänien wurde Ceausescu von der Revolution gestürzt und hingerichtet. Ein Schlüsselfaktor für die Volksaufstände war die Krise in der UdSSR. In der Vergangenheit hatte Moskau die Rote Armee geschickt, um Aufstände in der DDR (1953), Ungarn (1956) und der CSSR (1968) niederzuschlagen. Aber Gorbatschow war klar, dass diese Option nicht mehr möglich war.

Die Massenstreiks in Polen zu Beginn der 1980er waren ein früher Ausdruck für die Sackgasse, in dem sich das Regime befand. Wenn diese hervorragende Bewegung von echten MarxistInnen angeführt worden wäre, hätte sie den Boden für eine politische Revolution bereiten können, und das nicht nur in Polen, sondern in ganz Osteuropa. Aber da eine derartige Führung fehlte, wurde die Bewegung von konterrevolutionären Elementen wie Lech Walesa in die Irre geführt.

Anfangs versuchten die polnischen Stalinisten die Bewegung mit Repressionsmaßnahmen niederzuhalten, aber schließlich wurde die Solidarnosc legalisiert und es wurde ihr gestattet an den Parlamentswahlen vom 04. Juni 1989 teilzunehmen. Es folgte ein politisches Erdbeben. Die Kandidaten der Solidarnosc gewannen allen ihnen zugestandenen Sitze. Dies hatte eine starke Auswirkung auf die Nachbarstaaten.

In Ungarn hatte man frühzeitig erkannt, was bevorstand und Janos Kadar wurde 1988 als Generalsekretär der KP abgelöst und das Regime akzeptierte ein „Demokratiepaket“ einschließlich Wahlen. Die CSSR war kurze Zeit später betroffen und die Zahl der Demonstranten stieg von 200.000 am 19. November 1989 auf eine halbe Millionen am folgenden Tag. Am 27. November kam es zu einem zweistündigen Generalstreik.

Diese dramatischen Ereignisse markierten einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte. Fast ein halbes Jahrhundert hatten die Stalinisten nach dem 2. Weltkrieg Osteuropa mit einer eisernen Hand regiert. Ihre monströsen Parteien wurden von einem mächtigen Unterdrückungsapparat von Armee, Polizei, Geheimpolizei, und Spitzel in jedem Häuserblock, jeder Schule und Universität sowie jeder Fabrik gestützt. Es schien fast unmöglich, dass Volksaufstände jemals in der Lage sein könnten, die Macht eines totalitären Staates und seiner Geheimpolizei erfolgreich zu stürzen. Aber im Augenblick der Wahrheit erwiesen sich die scheinbar unbesiegbaren Regimes als Riesen auf tönernen Füßen.

Die DDR

Die DDR war von allen osteuropäischen Regimes industriell und technologisch am höchsten entwickelt. Der Lebensstandard war gut, obwohl er niedriger lag als in der BRD. Es gab eine Vollbeschäftigung und jeder hatte Zugang zu günstigem Wohnraum, kostenloser medizinischer Versorgung und einer qualitativ hohen Bildung.

Jedoch war die Herrschaft eines totalitären Einparteienstaats mit seiner allgegenwärtigen Geheimpolizei, der berüchtigten Stasi, seiner Armee von InformantInnen, seinen korrupten Funktionären und den Privilegien der Elite eine Quelle der Unzufriedenheit. Vor der Errichtung der Berliner Mauer waren ungefähr 2,5 Millionen DDR-BürgerInnen in die BRD übergesiedelt, viele davon über die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Um dieses Ausbluten aufzuhalten, baute das Regime die Berliner Mauer.

Durch die Mauer und weitere Grenzbefestigungen entlang der 1378 km langen Grenze zwischen der DDR und der BRD wurde der Exodus eingedämmt. Diese Maßnahme trug wahrscheinlich zur Förderung des ökonomischen Wachstums in der DDR bei, verursachte andererseits Leid und Not bei den Familien, die von der Teilung betroffen waren, und war schließlich ein Propaganda-Geschenk für den Westen, der die Mauer als ein weiteres Beispiel für die „kommunistische Tyrannei“ präsentierte.

Am Ende der 1980er war die Lage in der DDR explosiv. Der Altstalinist Erich Honecker war ein unerbittlicher Gegner von Reformen. Sein Regime verbot sogar die Verbreitung „subversiver“ Publikationen aus der UdSSR. Am 06. und 07. Oktober besuchte Gorbatschow die DDR , um den 40. Jahrestag des Landes zu begehen, dabei übte er Druck auf die SED-Führung, um Reformen zu akzeptieren. Er sagte damals: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Zu diesem Zeitpunkt bestand unter den BürgerInnen der DDR eine unverblümte rebellische Stimmung. Oppositionelle Gruppen sprossen wie Pilze aus dem Boden. Dazu gehörten das ‚Neue Forum‘, der ‚Demokratische Aufbruch‘ und ‚Demokratie Jetzt‘. Die größte Oppositionsbewegung entstand bei einem protestantischen Gottesdienst in der Nicolai-Kirche in Leipzig, wo sich BürgerInnen montags nach dem Gottesdienst versammelten und Veränderungen in der DDR forderten. Diese Bewegungen waren jedoch konfus und politisch naiv.

Eine Welle von Massendemonstrationen fegte durch die ostdeutschen Städte und erlangten besonders in Leipzig eine enorme Stärke. Hunderttausende Menschen schlossen sich den Demonstrationen an. Das Regime geriet in eine Krise, die zur Ablösung des stalinistischen Betonkopfes Erich Honecker und zum Rücktritt des gesamten Kabinetts führte. Unter dem Druck der Massenbewegung rief der neue SED-Führer Egon Krenz demokratische Neuwahlen aus. Aber die vom Regime vorgeschlagenen Reformen waren zu gering und kamen zu spät.

Die „kommunistischen“ Führer erwägten Gewalt anzuwenden, änderten aber nach einer Intervention Gorbatschows ihre Meinung. Die Ereignisse gerieten nun außer Kontrolle. In den nächsten Tagen herrschten beinahe anarchische Verhältnisse: Die Geschäfte blieben Tag und Nacht geöffnet und ein DDR-Pass diente als Freifahrtschein für den öffentlichen Personenverkehr. Ein Beobachter drückte es wie folgt aus:“Im Allgemeinen gab es in jenen Tagen mehr Ausnahmen als Regeln.“ Die Macht lag auf der Straße, aber es gab niemanden, der sie aufheben wollte.

Angesichts der Massendemonstrationen brach der scheinbar allmächtige DDR-Staat wie ein Kartenhaus zusammen. Nach einigen Woche der Massenunruhe kündigte die DDR-Regierung am 09. November 1989 an, dass alle BürgerInnen die BRD und Westberlin besuchen konnten.  Dies war das Signal für eine neue Masseneruption. Spontan kletterten die Menschen massenhaft auf die Mauer und überquerten sie, wobei sich ihnen Westberliner auf der anderen Seite anschlossen.

Konterrevolution

Die Berliner Mauer war ein Symbol und ein Kristallisationspunkt für alles, was am DDR -Regime gehasst wurde. Die Zerstörung der Mauer begann ziemlich spontan. In den folgenden Wochen wurden Teile der Mauer abgemeißelt. Später wurde schweres Gerät eingesetzt, um die letzten Reste zu entfernen. Es herrschte eine Feiertagsatmosphäre, eine euphorische Stimmung, die mehr an Karneval erinnerte als an eine Revolution. Aber das hat bisher auch auf die frühen Stadien aller Revolutionen seit 1789 zugetroffen.

Im November 1989 war die Bevölkerung der DDR von einer emotionalen Stimmung überwältigt – ein Gefühl der Befreiung, das von einem allgemeinen Gefühl des Stolzes durchsetzt war. Es war so, als ob eine ganze Nation sich in einem Rausch befand und aus diesem Grund für Anregungen und plötzliche Impulse offen war. Der Sturz des alten Regimes war einfacher gewesen als man zu glauben gewagt hatte. Aber nach Sturz stellte sich die Frage, was an seine Stelle treten sollte. Die Massen hatten das alte Regime gestürzt und wussten genau, was sie nicht wollten, hatten aber auch keine genauen Vorstellungen, was sie wollten und niemand zeigte ihnen einen Ausweg.

Alle objektiven Bedingungen für eine politische Revolution lagen nun vor. Die große Mehrheit der Bevölkerung wollte keine Restauration des Kapitalismus. Sie wollte einen echten Sozialismus mit demokratischen Rechten, ohne Stasi, ohne korrupte Bürokraten und ohne die Diktatur eines Einparteienstaats. Wenn es eine wirkliche marxistische Führung gegeben hätte, hätte es zu einer politischen Revolution und der Errichtung einer Arbeiterdemokratie kommen können.

Der Fall der Berliner Mauer endete jedoch nicht mit einer politischen Revolution, sondern mit einer Konterrevolution in Form der Vereinigung mit der BRD. Diese Forderung hatte zu Beginn der Demonstrationen keine herausragende Bedeutung. Da jedoch die Führung kein klares Programm besaß, wurde der Ruf nach der Vereinigung laut und nahm allmählich die zentrale Rolle an.

Die meisten OppositionsführerInnen hatten kein klares Programm oder politische Perspektiven, außer dem Wunsch nach Demokratie und Bürgerrechten. Wie die Natur verabscheut die Politik ein Vakuum. BRD-Kanzler Helmut Kohl war ein aggressiver Repräsentant des Imperialismus. Er wandte die perfideste Bestechungsmethode an, um von der DDR-Bevölkerung die Zustimmung für eine sofortige Vereinigung zu erhalten, als er ihnen den Umtausch der Ostmark in D-Mark zu einem Kurs von 1:1 anbot. Kohl aber sagte den Menschen in der DDR nicht, dass die Vereinigung nicht bedeutete, dass sie denselben Lebensstandard haben würden wie die Westdeutschen.

Im Juli 1990 wurden die letzten Hindernisse für die deutsche Vereinigung beiseite geräumt, als Gorbatschow zustimmte, die sowjetischen Vorbehalte für ein vereinigtes Deutschland als NATO-Mitglied fallenzulassen und dafür im Gegenzug substanzielle ökonomische Hilfe für die UdSSR erhielt. Die Vereinigung wurde formal am 03. Oktober 1990 vollzogen.

Die Massen wurden betrogen

Die Bevölkerung der DDR wurde betrogen. Ihr wurde nicht gesagt, dass die Einführung einer Marktwirtschaft Massenarbeitslosigkeit, Fabrikschließungen und die faktische Zerstörung großer Teile der industriellen Basis der DDR, einen generellen Preisanstieg und die Entmutigung großer Teile der Jugend zur Folge haben würde, oder dass sie als BürgerInnen zweiter Klasse in ihrem eigenen Land betrachtet würde. Das alles wurde den Menschen nicht mitgeteilt, sie mussten es durch bittere Erfahrungen herausfinden.

Die Vereinigung führte zu einem katastrophalen Zusammenbruch des ostdeutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP), das 1990 um 15,6% und 1991 um 22,7% und schließlich um ein Drittel fiel. Millionen Arbeitsplätze gingen verloren. Viele DDR-Fabriken wurden von westdeutschen Konkurrenten aufgekauft und dicht gemacht. Ab 1992 folgten vier Jahre wirtschaftliche Erholung, danach schloss sich eine Stagnationsphase an.

Vor dem 2.Weltkrieg lag das ostdeutsche BIP pro Person leicht über dem deutschen Durchschnitt und damals wie auch zu DDR-Zeiten war Ostdeutschland wohlhabender als die anderen ostdeutschen Staaten. Aber 20 Jahre nach der Vereinigung liegt der Lebensstandard in Ostdeutschland weit hinter dem Westdeutschlands zurück. Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie im Westen und die Löhne sind bedeutend niedriger.

In der DDR war die Arbeitslosigkeit praktisch unbekannt. Aber die Zahl der Arbeitsplätze sank von 1989 bis 1992 um 3,3 Millionen. Das BIP liegt nicht wesentlich über dem von 1989 und die Beschäftigtenzahlen liegen bei 60% von 1989. Gegenwärtig liegen die Arbeitslosenzahlen für die gesamte BRD bei 8%, für Ostdeutschland jedoch bei 12%. Nichtamtliche Statistiken sprechen sogar von 20% und 50% bei den Jugendlichen. Frauen, die in der DDR einen hohen Grad an Gleichheit erreicht hatten, haben, wie auch in den anderen osteuropäischen Staaten, am meisten gelitten. Soziökonomische Daten für Mitte der 1990er Jahre besagen, dass 15% der weiblichen und 10% der männlichen Bevölkerung in der ehemaligen DDR arbeitslos waren.

1990 versprach Einheitskanzler Kohl: „Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln (…).“ Fünfzehn Jahre später musste ein BBC-Bericht zugeben, „dass die Statistik trostlos ist“. Trotz einer Kapitalspritze von 1,25 Billiarden Euros lag die Arbeitslosenrate im Osten 2005 immer noch bei 18,6% (d. h. vor der gegenwärtigen Wirtschaftskrise) und in vielen Regionen bei über 25%.

Halle in Sachsen-Anhalt, das einst ein Zentrum der chemischen Industrie mit mehr als 315.000 Einwohnern war, hat fast ein Fünftel seiner BürgerInnen verloren. Vor dem Mauerfall arbeiteten im „Chemie-Dreieck“ Leuna-Halle-Bitterfeld 100.000 Menschen, heute gibt es gerade noch 10.000 Arbeitsplätze. In Gera waren vor der Wende eine bedeutende Textil- und Waffenindustrie und der Uranabbau angesiedelt. All das gibt es nicht mehr und beinahe alle ehemaligen staatseigenen Betrieb sind seit 1989 stillgelegt worden.

Das pro Kopf BIP  von 49% des Westniveaus 1991 stieg 1995 auf 66%, seit diesem Zeitpunkt gab es keine weitere Annäherung. Die Wirtschaft wuchs jährlich um 5,5%, aber das führte nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Infolge dessen verlassen immer Menschen die ehemalige DDR, seit der Vereinigung sind 1,4 Millionen nach Westdeutschlang gezogen, in der Mehrheit junge und gebildete. Die Auswanderung und ein starker Rückgang bei der Geburtenrate haben dazu geführt, dass die Bevölkerungszahlen in Ostdeutschland seit 1989 zurückgegangen ist.

Es ist eine höchste Ironie der Geschichte, dass 20 Jahre nach der Vereinigung die Menschen aus Ostdeutschland nicht vor der Stasi fliehen, sondern um der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Natürlich gibt es auch einige, die vermögend geworden sind. Im BBC-Bericht heißt es: „Großbürgerliche Häuser, von denen viele bis 1989 Munitionslöcher aus dem 2. Weltkrieg aufwiesen, haben ihre alte Pracht wiedererlangt.“

Der Marxismus wird zu neuem Leben erweckt

Wie viele andere ehemalige DDR-Bürger sagt Ralf Wulff, dass er über den Fall der Mauer und die Ablösung des Kommunismus durch den Kapitalismus erfreut gewesen sei. Die Euphorie habe aber nicht lange angehalten. „Es dauerte nur einige Wochen, um festzustellen, worum es bei der freien Marktwirtschaft ging“, sagte Wulff. „Sie bedeutet ungezügelten Materialismus und um Ausbeutung. Menschen bleiben auf der Strecke. Wir hatten nicht die materiellen Annehmlichkeiten. aber der Kommunismus bot doch einiges, was wertvoll war.“ (Reuters)

Hans-Jürgen Schneider, ein 49-jähriger ausgebildeter Ingenieur, ist seit Januar 2004 arbeitslos. Er hat seitdem 286 Bewerbungen abgeschickt, ohne bisher Erfolg gehabt zu haben. „Die Marktwirtschaft kann unsere Probleme nicht lösen“, sagt er. Das Großkapital reißt die Profite an sich, ohne Verantwortung zu übernehmen.“ Mit seiner Meinung steht er nicht allein. ‚Der Spiegel‘ schreibt, dass 73% aller Ostdeutschen glauben, dass Karl Marx‘ Kritik am Kapitalismus immer noch seine  Gültigkeit hat.

Eine weitere Umfrage, die im Oktober 2008 in der Zeitschrift ‚Super Illu‘ veröffentlicht wurde, besagt, dass 52% der Ostdeutschen glauben, dass die Marktwirtschaft „ungeeignet“ und „heruntergewirtschaftet“ ist. 43% würden ein sozialistisches Wirtschaftssystem vorziehen, denn es „schützt die kleinen Leute vor Finanzkrisen und andere soziale Ungerechtigkeiten“. 55%  lehnen Rettungsaktionen für die Banken ab.

Von den jungen Leuten zwischen 18 und 28 Jahre, die nie oder nur kurz in der DDR lebten, wollten 51% den Sozialismus. Die Zahl bei den 30- bis 49-jährigen liegt bei 35%, bei den über 50-jährigen bei 46%. Diese Ergebnisse werden immer wieder bei Interviews mit normalen ostdeutschen BürgerInnen bestätigt. „Wir lasen über die Gräueltaten des Kapitalismus in der Schule. Das hat sich als richtig herausgestellt. Marx hatte absolut Recht“, sagte Thomas Pivitt, ein 46-jähriger Computerspezialist aus Ostberlin. ‚Das Kapital‘ war für den Karl-Dietz-Verlag ein absoluter Bestseller, von dem 2008 über 1500 Exemplare verkauft wurden, drei Mal so viel wie 2007.

„Jeder dachte, es gäbe nie wieder eine Nachfrage nach ‚Das Kapital‘, “ sagte der geschäftsführende Direktor Jörn Schütrumpf Reuters. „Sogar Banker und Manager lesen ‚Das Kapital‘, um zu verstehen, was sie uns angetan haben. Marx ist momentan definitiv aktuell.“ Die Krise hat viele Deutsche sowohl im Westen als auch im Osten überzeugt, dass das System versagt hat. „Ich glaubte der Kommunismus sei Mist, aber der Kapitalismus ist wesentlich schlimmer,“ erklärte der 76-jährige ehemalige Hufschmied Hermann Haibel. „Der freie Markt ist brutal. Der Kapitalist will immer mehr herausquetschen. Mir ging es ganz gut vor dem Mauerfall“, fügte er hinzu. „Niemand macht sich Sorgen um Geld, denn Geld war nicht, was wirklich zählte. Du hattest einen Arbeitsplatz, selbst wenn du keinen wolltest. Die Idee vom Kommunismus war im Nachhinein betrachtet gar nicht so schlecht.“

„Ich glaube nicht, dass der Kapitalismus für uns das richtige System ist“, sagte Monika Weber, eine 46-jährige städtische Angestellte. „Die Verteilung des Wohlstands ist ungerecht. Das sehen wir jetzt. Die kleinen Leute, wie ich, müssen wegen der gierigen Banker für das Finanzchaos mit höheren Steuern bezahlen.“

Viel bedeutender als Meinungsumfragen waren die Ergebnisse der letzten Bundestagswahlen. Die Partei ‚Die Linke‘ erzielte einen deutlichen Stimmenzuwachs und erreichte fast 30% der Stimmen im Osten. Die bürgerlichen Parteien haben hier jetzt keine Mehrheit mehr. Das zeigt, dass die Menschen im Osten keinen Kapitalismus mehr wollen, sondern einen Sozialismus, jedoch nicht die bürokratische und totalitäre Karikatur, die sie hatten, aber einen echten demokratischen Sozialismus, den Sozialismus von Marx, Engels, Liebknecht und Luxemburg.

Quelle: http://www.marxist.com   Übersetzung: Tony Kofoet

 

5. November 2009 Posted by | DDR, Deutschland, Konterrevolution, Politik, Revolution, Sozialismus | , , , | 1 Kommentar