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Linkes Blog aus Ostfriesland

Bock und Gärtner

Bock und Gärtner
19.01.2010
BERLIN
(Eigener Bericht) – Der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gehört einer studentischen Burschenschaft mit Beziehungen ins Milieu der rechtsextremen NPD an. Dies bestätigen die jüngste Ausgabe der Verbandszeitschrift „Burschenschaftliche Blätter“ sowie neuere Entwicklungen im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB). Zu den Mitgliedern des Verbandes zählen neben Minister Ramsauer zwei Landtagsabgeordnete der NPD. In der gemeinsamen Verbandszeitschrift werden Debatten über angebliche historische Verdienste der NS-Verbrecher Heß und Hitler geführt. Verkehrsminister Ramsauer soll in den kommenden Wochen über Anliegen von NS-Opfern entscheiden, die von seinem Ministerium Restitution für Schäden bei den NS-Deportationen mit der „Deutschen Reichsbahn“ verlangen. Neben dem Regierungsmitglied Ramsauer ist auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Uhl, Mitglied einer Burschenschaft mit NPD-Beziehungen. Zu Uhls Aufgaben gehört die Beobachtung der extremen Rechten.
Im Spektrum des Kabinetts Merkel besetzt Ramsauer weit rechts stehende Positionen. Sein politischer Ziehvater ist Otto Wiesheu (CSU), bis vor kurzem Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn AG und dort für „politische Beziehungen“ verantwortlich gewesen. Als Aufsicht führender Minister über die DB AG setzt Ramsauer das Wirken von Wiesheu jetzt fort.
NPD-offen

Verkehrsminister Ramsauer wacht nicht nur über die DB AG, sondern ist auch Rechtsnachfolger der „Deutschen Reichsbahn“, die in der NS-Zeit mehr als drei Millionen Menschen in den Tod fuhr. Als juristischer „Reichsbahn“-Erbe soll Ramsauer über das Verlangen ehemaliger NS-Deportierter entscheiden, die die Gründung eines Hilfsfonds für bedürftige Opfer der deutschen Bahndeportationen verlangen.[1] Ramsauer verfügt über einen Etat in Höhe von 26,3 Milliarden Euro – den drittgrößten im Merkel-Kabinett. Bei den Opfer-Forderungen geht es um einen Betrag von mindestens 445 Millionen Euro. Ein Kompromiss mit Ramsauer, dessen Verbandsmitgliedschaft in einer NPD-offenen Organisation bei den internationalen Opferverbänden auf Missbilligung stoßen dürfte, scheint unwahrscheinlich.
Unbeständige Staaten
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gehört seit Jahrzehnten der Burschenschaft Franco-Bavaria München an, einer von rund 120 Burschenschaften aus Deutschland und Österreich, die in dem Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) zusammenschlossen sind. Die DB ist völkisch ausgerichtet; sie setzt sich laut ihren Verfassungsgrundsätzen „für die freie Entfaltung deutschen Volkstums in enger Verbundenheit aller Teile des deutschen Volkes“ ein – und zwar „unabhängig von staatlichen Grenzen“.[2] Im „Handbuch der Deutschen Burschenschaft“ heißt es dazu weiter: „Unter Deutschland verstehen wir den von Deutschen bewohnten Raum in Mitteleuropa einschließlich der Gebiete, aus denen Deutsche widerrechtlich vertrieben worden sind.“[3] Eine „Orientierung des Vaterlandsbegriffs am Staat“ sei „infolge der Kurzlebigkeit und Unbeständigkeit der Staaten häufiger Umdeutung ausgesetzt“ und deshalb nur von relativer Bedeutung. Was daraus folgt, erläutert das „Handbuch“ in völkerrechtlichen Ausführungen zum „Grenzbestätigungsvertrag“ zwischen Deutschland und Polen vom 14. November 1990. Demnach habe Polen in seinen Westterritorien (den „Oder-Neiße-Gebieten“) lediglich das Recht einer „geduldeten Nutzung“, „die möglicherweise eine Art von Gebietshoheit darstellt“, während zugleich „die territoriale Souveränität über die Ostgebiete weiterhin bei Deutschland“ verbleibe.[4]
„Bomben-Holocaust“

Den Bünden der Deutschen Burschenschaft, die in ihrem „Handbuch“ die Souveränität Polens offen in Frage stellt, gehören neben Verkehrsminister Peter Ramsauer sechs weitere Abgeordnete im Deutschen Reichstag an, darunter Patrick Kurth (FDP, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss), Peter Roehlinger (FDP, Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung) sowie Hans-Peter Uhl (CSU, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion).[5] Zugleich gehören den DB-Burschenschaften seit Jahren NPD-Politiker an, darunter die sächsischen Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel und Arne Schimmer.[6] Gansel wurde vor fünf Jahren bekannt, als er die alliierten Luftangriffe auf Dresden vom Februar 1945 „Bomben-Holocaust“ nannte. Die beiden Flügel der DB existieren seit Jahren, sie vermischen sich regelmäßig bei gemeinsamen Veranstaltungen. CSU-Innenpolitiker Uhl war mehrfach für die gesamte DB aktiv – als prominenter Redner bei Verbandsfeierlichkeiten und als Autor in der Verbandszeitschrift „Burschenschaftliche Blätter“.
Mit der NPD

In den „Burschenschaftlichen Blättern“ hat im vergangenen Sommer eine Grundsatzdebatte über die weitere Entwicklung der DB begonnen. In diesem Rahmen veröffentlicht die Verbandszeitschrift in ihrer jüngsten, kürzlich erschienenen Ausgabe ein Streitgespräch, bei der zwei konservative Burschenschafter mit einem NPD-Mann diskutieren. Es sei gelungen, nicht mehr „über“ die NPD, sondern „mit“ einem „Burschenschafter und NPD-Mitglied“ zu debattieren, urteilt das Blatt. „Wir betrachten diese (…) sachliche und direkte Form der Auseinandersetzung als den richtigen Weg, Befürchtungen und vielleicht auch Missverständnisse aufzuklären“, resümieren die beiden konservativen Diskutanten das Gespräch.[7]
„Hitlers Erfolge“

Darin ging es unter anderem um angebliche historische Verdienste der NS-Verbrecher Rudolf Heß und Adolf Hitler. Weil Heß‘ Schicksal „keinen, der noch einen Sinn für Geschichte hat“, „kaltlassen“ könne, finde er es „ganz natürlich, daß Rudolf Heß“, Hitlers Stellvertreter, „neben vielen Gegnern eben auch einige Bewunderer hat“, erklärt der NPD-Politiker Schimmer (Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen) in dem Gespräch. Auch müsse man „die großen Erfolge“ berücksichtigen, die Hitler „in den ersten sieben Jahren seiner Herrschaft feierte“: „Das Ende der alliierten Rheinlandbesetzung“ und die „unter Hitler erfolgte Vereinigung“ Österreichs sowie der „Sudetengebiete“ „mit dem Deutschen Reich“. Die NPD-Forderung „nach einem differenzierten Blick auf das Dritte Reich“ sei ebenfalls „berechtigt“, urteilt Schimmer.[8] Die Burschenschaftlichen Blätter gehen laut ihrer Eigendarstellung den Mitgliedern der DB „im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Regelabonnement“ zu. Dass die DB-Burschenschafter Uhl und Ramsauer davon ausgenommen wären, ist nicht bekannt.
[1] s. dazu Hoheitliche Morde
[2] Kurzportrait der Deutschen Burschenschaft; http://www.burschenschaft.de
[3], [4] Handbuch der Deutschen Burschenschaft. Ausgabe 2005 zum 190. Jahrestag der Burschenschaft
[5] Dem Deutschen Bundestag gehören derzeit folgende Burschenschafter an: Patrick Kurth (FDP, Burschenschaft Germania Jena), Peter Roehlinger (FDP, Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller Jena), Michael Fuchs (CDU, Burschenschaft Germania Erlangen), Paul Lehrieder (CSU, Burschenschaft Adelphia Würzburg), Joachim Pfeiffer (CDU, Burschenschaft Alemannia Stuttgart), Hans-Peter Uhl (CSU, Burschenschaft Arminia-Rhenania München), Peter Ramsauer (CSU, Burschenschaft Franco-Bavaria München).
[6] Jürgen Gansel und Arne Schimmer gehören der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen an. Michael Hahn (Vorstandsmitglied des NPD-Landesverbandes Niedersachsen) ist Mitglied der Burschenschaft Rheinfranken Marburg. Rigolf Hennig (NPD-Stadtrat in Verden) gehört der Burschenschaft Rugia Greifswald an.
[7], [8] Fragen und Antworten zur NPD: Eine Diskussion mit Verbandsbruder Arne Schimmer (MdL); http://www.burschenschaftliche-blaetter.de 13.01.2010
Quelle:

19. Januar 2010 Posted by | Burschenschaften, CDU/FDP, Deutschland, Faschismus, News, NPD, Politik, Rechter Rand | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar